Goethe Gesellschaft Gera e.V. » Rückblick

Fritz von Stein (1772 – 1844) – ein erfülltes Leben zwischen Weimar und Schlesien

Vortrag von Prof. Detlef Jena, Rockau

Fritz von Stein war eine liebenswürdige, aufgeschlossene Natur, wurde als Knabe in Goethes Haus aufgenommen. Von dort musste er vierzehntägig Goethes Mutter nach Frankfurt in „geheimer Mission“ berichten, was ihr Sohn so trieb, denn Goethes Verhältnis zu seiner Mutter, der Frau Rätin, war komnpliziert. Obwohl er glänzende Aussichten hatte, am Weimarer Hof eine Stellung zu bekleiden, trennte er sich von der Stadt an der Ilm. Er ging lieber in preußische Dienste nach Schlesien. Dies wurde in Weimar sehr übel aufgenommen. Er blieb zwar mental mit Weimar verbunden, kam auch zu Besuch, blieb jedoch zeitlebens in Schlesien, wo er einflussreiche Posten bekleidete.

Ein Amt hing mit einem Johann Georg Knie zusammen. Der wurde 1794 in Erfurt geboren, erblindete durch Blattern. Durch seine vermögenden Eltern erwarb er sich eine reiche Bildung, besuchte beispielsweise die Blindenschule in Berlin. Später kam er nach Breslau, wo Wilhelm von Humboldt 1811 eine Universität gegründet hatte. Knie studierte dort Mathematik und Geografie. Er beschloss, in Breslau zu bleiben, gründete dort eine Unterrichtsanstalt für blinde Kinder. Blinde wurden bis dahin als Kranke behandelt, denen man Fürsorge angedeihen lassen musste. Anders Knie: Er forderte, dass Blinde als vollwertige Menschen anzusehen seien, unter Berücksichtigung ihres Leidens seien sie zu selbstbewussten Bürgern zu entwickeln. Knie wurde Direktor seiner Anstalt und als Ko-Direktor fungierte – Fritz von Stein. Knie unternahm einen Selbstversuch, zog mutterseelenallein über drei Monate lang kreuz und quer durch die deutschen Staaten, um zu beweisen, dass blinde Menschen, wenn sie genau notwendige Bedingungen beachten, durchaus in der Lage sind, ein eigenständiges Leben zu führen. Dazu gehörte auch Arbeit. Die blinden Kinder und Jugendlichen in Knies Einrichtung erwarben sich in eigens aufgesuchten Manufakturen und durch spezielles Werkzeug ihren Lebensunterhalt und letztlich auch den Erhalt ihrer Schule.

Stein wolte den Geist Weimars auch nach Schlesien tragen, als enger Vertrauter Goethes der klassischen deutschen Literatur auch in Breslau eine Heimstatt schaffen. Mehrere Besuche in Weimar und Korrespondenzen mit der Ilm-Stadt trugen hierzu bei. Der Goethe-Forschung gilt es als größte Leistung, dass Fritz von Stein von seiner Mutter Charlotte 1827 ihren Briefwechsel mit Goethe – nach 1794 gab es wieder eine gewisse Annäherung zwischen beiden – übernahm und für eine spätere Veröffentlichung sorgte. Immerhin kamen drei Bände zusammen.

Es existieren etwa 400 Briefe aus Weimar an Fritz von Stein, sie wurden 1907 veröffentlicht. Vierzig Jahre lang unterhielt Fritz von Stein eine rege Korrespondenz mit seiner Freundin Charlotte von Lengefeld, verheiratet Schiller. Dieser Briefwechsel wurde 1860 publiziert, doch seitdem kaum zur Kenntnis genommen. Es gibt auch Briefe von Goethe an Fritz.

1795 kam Fritz von Stein als Assesor nach Schlesien, machte rasch Karriere, wurde Kriegs- und Domänenrat, was allerdings nur ein Titel bedeutete. Seine Entscheidung, im Land zu bleiben, führte zwei Jahre später dazu, dass er vom preußischen König zum Direktor der Kunst- und Gewerbeschule in Breslau berufen wurde. Sie kann durch ihre Beschäftigung mit Architektur, Inneneinrichtung, Materialien wie Holz, Keramik, Papier in gewissem Sinne als Vorläufer der Bauhaus-Akademie angesehen werden. Diese Akademie besteht bis heute.

Fritz von Stein leitete sie acht Jahre lang. Er hat den Posten durch die napoleonische Besetzung Schlesiens letztlich aufgeben müssen.

Zwischen 1807 und 1810 erlebte er seine schlimmste Zeit. Er war nicht nur arbeitslos, sondern auch Witwer, musste drei Kinder durchbringen. Er ließ vorzeitig sein Erbe – 30 000 Taler – auszahlen und kaufte ein Gut, das von den napoleonischen Truppen jedoch geplündert wurde. Die Frau aus seiner zweiten Ehe – aus sehr vermögender Familie stammend – investierte zwar in das Gut, verließ ihn jedoch nach kurzer Zeit, ging zu ihren Eltern zurück, da sie nicht mehr mit ihm zusammenleben wollte.

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Schlesien war infolge der Kriegswirren ein bettelarmes Land. Die Wirtschaft war völlig zusammengebrochen. Aus diesem Grund, um Gewerbe und Landwirtschaft wiederzubeleben, veranlasste Friedrich II. 1777 die Gründung einer „Schlesischen Landschaft“ – eines Darlehens- und Kreditinstitutes für den schlesischen Adel. Fritz von Stein wurde deren Generallandschaftsrepräsentant, vom Adel gewählt, allerdings nur für den niederschlesischen Bereich. Allerdings besaß er weiterreichenden Einfluss für ganz Schlesien, war er doch zugleich Mitglied des Zentralgremiums dieser Einrichtung. Selbige besaß neben finanziellen Obliegenheiten noch eine weiteres Tätigkeitsfeld: Die Institution sollte mit der Geldvergabe zugleich dafür sorgen, dass die neuesten Erkenntnisse der Agrarwirtschaft, des Handels, von Forschung und Technik Einzug ins schlesische Wirtschaftsleben fanden. Diese Ambitionen erstreckten sich ebenso auf die Schlesische Sozietät, die wissenschaftliche Erkenntnisse für den Adel bereitstellen sollte, um ihm bei der Gestaltung moderner Produktion zu helfen. Dieses System funktionierte jedoch nicht.

Daraufhin wurde 1803 die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur gegründet, die später in scharfe Konkurrenz zur jungen Universität trat. Die Gesellschaft vereinigte in sich namhafte Gelehrte. In diese Gesellschaft wurde 1820 Fritz von Stein als Präsident berufen. Er sorgte dafür, dass Goethe Ehrenmitglied wurde. Durch seinen liebenswürdigen Charakter gelang es ihm, Streit zu schlichten, Kompromisse auszuhandeln, Interessen auszugleichen.

Unsere Studienfahrt nach Wechmar, Stammort der Musikerfamilie Bach

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Fotos: Joachim Rödel

Unsere Studienfahrt nach Wechmar, Stammort der Musikerfamilie Bach

Fotos: Joachim Rödel

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Fotos: Joachim Rödel

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Ich winde mich um deinen Schoß und Busen – Herder und die Liebe

Ich winde mich um deinen Schoß und Busen – Herder und die Liebe

Vortrag von Dr. Egon Freitag am 11. Oktober 2023

Er bezeichnete sich selbst als einen erotischen Menschen, verfasste somit auch erotische Texte. Er lernte die aus dem Elsaß stammende Caroline Flachsland kennen Sie hatte in Herders Straßburger Zeit 1770 eine Predigt von ihm gehört. Dieses Zusammentreffen erschien als Gottes Wille. Beide lasen Gedichte von Klopstock. Er nante sie Engel in mehrfachen Variationen, wie Unschuldsengel, Frühlings- und Unschuldsblume. Er nannte sie oft auch Lina. Die Eheschließung bedurfte einiger Formalitäten, so musste sie einen notariell beglaubigten Taufschein beschaffen oder ihm das Original zuschicken. Das Ehebett für die Flitterwochen sollte sie selbst besorgen, sie führte detailliert auf, was hierzu an Wolle, Federn etc. benötigt wurde. Dieses Liebeslager wurde ganz genau geplant.

Am 2. Mai 1773 fand in Darmstadt die Hochzeit statt, Goethe war zugegen. Die Hochzeitsreise führte auch nach Frankfurt/Main, wo das Paar Goethes Eltern kennenlernte. Herder brachte allerdings auch 600 Gulden Schulden in die Ehe. Dennoch begann eine glückliche Zeit. Für ihn war Caroline ein schwebender Engel in dieser Welt.

Nach seiner Auffassung war der Geschlechtstrieb der mächtigste. 1776 begrüßte Wieland das Paar in Weimar, Goethe war mit dem Herzog gerade auf der Jagd. Goethe kam den Tag darauf zur Begrüßung.

Letztlich hatte die Familie acht Kinder, sieben Söhne und eine Tochter. Die Haushaltsführung war schwierig, stets schwebte man in Geldsorgen. Caroline erwies sich als eine ebenbürtige Partnerin. Gleim schätzte ihre Mitarbeit. Aber es gab mitunter auch Streit. Dann wechselten vom Dienstboten gebrachte Briefe von der unteren zur oberen Etage. Schließlich fiel ihr Herder um den Hals, und aller Streit fand sein Ende. Beide lebten immer über ihre Verhältnisse. Der Haushalt, die Kinder und Bücher verschlangen viel Geld. Herzog und Herzogin halfen, Goetha auch und Wieland, schließlich gewährte der Herzog eine zusätzliche Zahlung über 300 Taler pro Jahr. Aber auch dies reichte nicht. Herder gab seine „Lieder der Liebe“ heraus. Er verherrlichte die Nacktheit als griechisches Ideal. Das beste Kleid sei nur ein Hindernis wandte er sich gegen Prüderie und „einpressende Klosterlumpen“. Die Griechen seien hingegen zur Freude und Lust geboren. „Ich will nicht umsonst ein Mann sein“, bekundete er. An sich war er ein treuer Ehemann, doch dies wurde 1778 auf eine ernste Probe gestellt. Er verliebte sich in die elf Jahre jüngere Friederike Schaardt. Sie langweilte sich in Weimar, kam oft ins Pfarrhaus, die 22-Jährige erwies sich als geistreich, zierlich, anziehend. Sie war Mitarbeiterin am Tiefurter Journal und wirkte ebenso am Liebhabertheater mit. Seine Leidenschaft konnte Herder nur mühsam zurückhalten, letztlich geriet das Ganze zu einer idealischen Seelenliebe. Somit war seine Ehe nicht gefährdet. Allerdings, auf einer Reise im Harz 1783, wollte er sie heimlich treffen. Dies gelang in Blankenburg.

Herder versuchte, seine Frau an dieser Freundschaft teilhaben zu lassen. Caroline ließ sich darauf ein.

Herder trat eine große Italienreise an. Im Vatikan wurde er als Bischof von Weimar vorgestellt. Ein Abt meinte zu ihm: „Wie kann ein Geistlicher seine Frau so lange ohne Aufsicht und Weide lassen?“ Herders Antwort: „In Deutschland haben wir zum Glück die Stallfütterung eingeführt.“

Er lernte auch die berühmte Malerin Angelica Kaufmann kennen. Beide waren sich sympathisch. Herder besuchte die Museen des Vatikans, bewunderte die von Fackeln beleuchteten, wunderbare Schattenspiele erzeugenden Skulpturen von Venus, Diana und Jupiter, Er erlebte somit die Einheit harmonsichen Lebens auch von Menschen, sein Credo: Licht, Liebe und Leben.

Goethe als Patient

Vortrag von Prof. Dr. L. Engelmann, Leipzig, am 6. September 2023

Goethes Genialität beruht ebenso „in zäher, beharrlicher, zuchtvoller Tätigkeit und Kreativität“ (Nager: „Goethe, der heilkundige Dichter“) und auf der Fähigkeit des Ausharrens, der Mäßigung, des Verzichts und der Entsagung.

Doch waren auch bedeutende Ärzte um ihn herum. In der Straßburger Zeit gehörte Georg von Zimmermann, ein engagierter Vertreter der neu aufblühenden hippokratisch, auf Erfahrung und Beobachtung orientierten Medizin und späterer Leibarzt Friedrichs des Großen, zu seiner Tischrunde. In Weimar wählte er den Jenaer Medizinprofessor Christian Wilhelm Hufeland, Mitbegründer der Geriatrie und der medizinischen Prävention, als Hausarzt. Nach dessen Berufung an die Charite wurde Johann Christian Starck, ebenfalls Professor in Jena, Goethes Leibarzt, Berater und Gesprächspartner.

In den krankheitsbelasteten Jahren, beginnend mit Schillers Tod, behandelte ihn Oberbergrat Johann Christian Reil in Halle, 1816 bis 1825 betreute ihn Wilhelm Rehbein und schließlich Carl Vogel bis zu Goethes Ende. Nicht zu vergessen, dass sein engster Freund Schiller ebenfalls Arzt war.

Goethes Vorliebe für Anthropologie, Psychologie und Psychiatrie führte ihn mit Johann Christian August Heinroth, Professor für Psychiatrie in Leipzig, und dem Universalgenie Carl Gustav Carus, Gynäkologe, königlicher Hofarzt in Dresden, Maler, Philosoph und Psychologe, zusammen.

Interessant ist vor allem die Sepsis mit ihren Spielarten und Folgen, und diesen intensivmedizinischen Stoff treffen wir in Goethes Krankengeschichte immer wieder.

Goethes Leben begann wie bei jedem anderen Menschen mit dem heute noch gefährlichsten Lebensabschnitt – der Geburt. Der Junge kam asphyktisch (Atemdepression mit Sauerstoffmangel) zur Welt. Er schreibt in „Dichtung und Wahrheit“: „Dieser Umstand (Ungeschick der Hebamme), welcher die Meinigen in große Not versetzt hatte, gereichte jedoch meinen Mitbürgern zum Vorteil, indem mein Großvater, der Schultheiß Johann Wolfgang Textor, daher Anlass nahm, dass ein Geburtshelfer angestellt und der Hebammen-Unterricht eingeführt oder erneuert wurde, welches dann manchem der Nachgeborenen mag zugute gekommen sein.“

Die erste Klippe umschifft, befallen den Frankfurter Bub Masern, Windpocken und echte Blattern.

Allerdings sind Blattern in Zweifel zu ziehen, denn Pocken hinterlassen tiefe Narben, weil die Infektion alle Hautschichten befällt, Windpocken dagegen befallen nur die Oberhaut, und die Blasen heilen narbenfrei ab. Goethe-Porträts mit Pockennarben gibt es nicht, und bei seiner Ankunft in Weimar wird von der Damenwelt vom „Schönling“ geschwärmt.

Bereits in den Frankfurter Jugendjahren wird Goethes psychosomatische Projektion deutlich, wonach er bei psychischer Anspannung mit körperlichem Unwohlsein, bisweilen mit Krankheit reagiert.

In einer Julinacht 1768 wacht der Jüngling „mit einem heftigen Blutsturz auf“ (erste lebensgefährliche Erkrankung). Wahrscheinlich handelte es sich um eine Blutung aus einem Magen- oder Darmgeschwür. Der „Blutsturz“ hätte aber von schwarzer Farbe sein müssen, denn die Magensäure oxidiert das rote Häm zum schwarzen Hämatin. Davon ist allerdings keine Rede. Dennoch scheint eine Magenblutung als sehr begründet, denn Goethe schreibt: „Schon zu Hause hatte ich einen gewissen hypochondrischen Zug mitgebracht, der sich in dem neuen sitzenden und schleichenden Leben eher verstärkte als verschwächte. Der Schmerz auf der Brust, den ich seit dem Auerstädter Unfall von Zeit zu Zeit empfand und der, nach dem Sturz mit dem Pferde, merklich gewachsen war, machte mich missmutig. Durch eine unglückliche Diät verdarb ich mir die Kräfte der Verdauung; das schwere Merseburger Bier verdüsterte mein Gehirn, der Kaffee, der mir eine ganz eigene triste Stimmung gab, besonders mit Milch nach Tische genossen, paralysierte meine Eingeweide und schien ihre Fuktionen völlig aufzuheben, so dass ich deshalb große Beängstigungen empfand, ohne jedoch den Entschluss zu einer vernünftigeren Lebensart fassen zu können. Meine Natur, von hinlänglichen Kräften der Jugend unterstützt, schwankte zwischen Extremen von ausgelassener Lustigkeit und melancholischem Unbehagen.“

Das ist eine typische Psychopathologie, wie wir sie bei Ulkuspatienten auch heute noch finden.

In die differentialdiagnostischen Überlegungen war von verschiedenen Seiten auch eine Lungenblutung, am ehesten infolge einer Lungentuberkulose einbezogen worden. Über ein damit verbundenes Erstickungsgefühl wie für eine Lungenblutung typisch, wird aber nicht berichtet.

Dass Goethe an einer Tuberkulose litt, gilt als möglich, weil „sich bei jeder Eruption zugleich ein Geschwulst an der linken Seite des Halses gebildet hatte, den man erst jetzt, nach vorüber gegangener Gefahr zu bemerken Zeit fand“.

Ein solcher Abszess kann als kalter Abszess – eine Lymphknotentuberkulose – Teilbefund der Tuberkulose sein, gehört dagegen nicht zum blutenden Magengeschwür.

Goethes Leben wird durch den Griff zum Messer gerettet (zweite lebensgefährliche Erkrankung). „Der Cirurgus … von leichter und geschickter Hand, leider etwas hektisch“, eröffnet nach Goethes Rückkehr aus Leipzig diese dicke Geschwulst am Hals. Der Patient bekommt wieder Luft und gewinnt „die Heiterkeit des Geistes“ zurück. Aber erst 1769 ist er wieder genesen. Er verlässt Frankfurt in Richtung Straßburg, um seine in Leipzig begonnenen Studien abzuschließen.

Er wandert viel, schnell und weit. Er unternimmt einen 400-km-Ritt durch das Elsass und Lothringen. „In allen körperlichen Übungen“ behauptet später sein Leibarzt Christoph Wilhelm Hufeland, „war er bald der Erste: im Reiten, Fechten, Voltigieren, Tanzen“.

Die Folgejahre in Weimar seit 1775 sind von drei Krankheitskomplexen gekennzeichnet: die seit der Leipziger Krankheit regelmäßig wiederkehrenden Bronchialkatarrhe und Anginen, verbunden mit Muskel- und Gelenkschmerzen, Verdauungsstörungen (2.) und (3.) gehäuft heftige Zahnschmerzen. Dazu gesellt sich eine große Wetterfühligkeit. Sein häufig gestörtes Wohlbefinden ist geprägt bisweilen von Gelassenheit und duldendem Abwarten, aber öfter von Ungeduld, Gereiztheit und Selbstmitleid. Diese Krisen bewogen ihn zu den wiederholten Bäderreisen nach Böhmen und auch zur Reise nach Italien.

Sein Umgang mit den Ärzten ist launisch. Manchmal findet er lobende Worte. In Krankheitszeiten klagt er über deren Unfähigkeit, falsche Therapien, und er beschimpft sie als „Jesuiten“ und „Hundsfötter“. Goethe als Patient zu führen, scheint somit ein schwieriges Unterfangen zu sein.

Überhaupt war er kein guter Patient. So konnte man ihn nur zur strengen Diät überreden, wenn es ihm wirklich schlecht ging. Bei den ersten Anzeichen der Besserung sah er sich, von Christiane bestärkt, nach üppigen Gerichten und Wein mit kräftigem Geschmack um. Er war zeitweise ein exzessiver Weintrinker, der mühelos bereits zum Frühstück eine Flasche leerte, über den Tag hinweg folgten weitere zwei/drei Liter. Bier lehnte er ab.

1990 beschreibt Nager in seiner Betrachtung „Der heilkundige Dichter: Goethe und die Medizin“, dass Goethe „während langer Lebensphasen im Nebel der Depression gewandert sei“. Schon in der Leipziger Studentenzeit trägt er sich mit Selbstmordgedanken. Er setzt vor dem Einschlafen einen Dolch auf die Brust und prüft, ob Willenskraft und Mut ausreichen, ihn langsam ins Herz zu senken. „Da das aber niemals gelingen wollte, lachte ich mich zuletzt selbst aus, warf alle hypochondrischen Fratzen hinweg und beschloss zu leben“.

Seinem in Weltschmerz und Liebeskummer verfallenen leidenden jungen Werther gibt Goethe hingegen 1774 die Kugel. Die „wunderliche Krankheit“ Depression führt Goethe jahrzehntelang an langer Leine.

Goethes späte Midlife Crisis, datiert zwischen 1800 und 1810, wird durch zahlreiche Erkrankungen verstärkt. Vom Trinken wird der Leib rund, das Gesicht aufgeschwemmt, Rheuma und Gicht plagen ihn, die Zähne eitern. Auch Christiane und Sohn August sind von Trunksucht befallen. Beide sterben als Alkoholiker.

1801 erkrankte Goethe zun dritten Mal in akuter Lebensgefahr. Ein blasenbildendes Erysipel (Wundrose, bakterielle Infektion der Haut und des Lymphsystems) hatte die gesamte linke Gesichtshälfte einschließlich des Auges, Gaumens, Rachens und Kehlkopfes ergriffen. Zeitweise war er bewusstlos und phantasierte. Heute würde man wohl eine Sepsis (Blutvergiftung) diagnostizieren. Ein Schlaganfall war es nicht, eher ein Steck- oder Stickfluss. Darunter verstand man eine Lähmung der Lungen- und Luftröhrenäste, die aufgrund von Schleimverlegung den Erstickungstod bewirken sollte. Heute nennt man das Krankheitsbild: schwere eitrige Tracheobronchitis. Goethe musste wegen eines Krampfhustens in stehender Stellung gehalten werden und konnte nicht das Bett aufsuchen, sonst wäre er erstickt. Die Behandlung erfolgte mit Packungen, Senföl-Fußbädern und Aderlässen, die ihn allmählich genesen ließen.

1805 wiederholte sich ein dem Krankheitsbild von 1801 vergleichbarer Zustand – Mitreaktion der Hirnhäute bei einer odontogenen Osteomyelitis (vom Zahn oder vom Zahnhalteapparat ausgehende Entzündungen, die sich zu einem Kieferabszess oder Parodontalabszess entwickeln können,

vierter lebensbedrohlicher Zustand). In den Folgejahren wurde er von heftigen Nierenkoliken geplagt, die Bäderreisen werden fortgesetzt. Erste Manifestationen der Arteriosklerose treffen ein, die man damals noch nicht kannte. 1812 wird von Luftnot und 1813 von Herzschmerzen berichtet.

Im Februar 1823 erkrankte Goethe zum fünften Mal lebensbedrohlich mit starken Herzschmerzen, Beklemmung im gesamte Brustbereich, Angstgefühl, Beinödemen, Schüttelfrost und hochgradiger Atemnot, so dass er nur im Bett aufrecht sitzend atmen konnte. Die heutige Intensivmedizin hätte wohl die Diagnose eines akuten Myokardinfarktes [Der Herzinfarkt oder (genauer) Herzmuskelinfarkt bzw. Myokardinfarkt, auch Koronarinfarkt genannt, ist ein akutes und lebensbedrohliches Ereignis infolge einer Erkrankung des Herzens, bei der eine Koronararterie oder einer ihrer Äste verlegt oder stärker eingeengt wird ]gestellt. Mediziner seiner Zeit hatten dem kaum etwas entgegenzusetzen. Was Goethes behandelnde Ärzte, Huschke und Rehbein, taten, waren Meerrettich-Kompressen für die Herzgegend, Aderlass und Blutegel. Letztere beide reduzierten die Füllung (heute: Vorlast) im Herzen, und die Blutegel setzten die Blutgerinnbarkeit herab.

Noch am 23. Februar wähnte er sich am Rande des Todes, doch der 25. brachte die Wende. Dennoch blieb Goethe hochgradig hinfällig. Sein Zustand deutete auf eine fortbestehende Linksherzinsuffizienz oder gar ein Lungenödem hin, die sich im November 1823 nochmals klinisch lebensgefährlich manifestierte (sechster lebensgefährlicher Zustand).

Zeitgenossen bemerkten zudem eine einsetzende Schwerhörigkeit und Gedäöchtnisschwäche, vor allem bezüglich der näheren Vergangenheit.

Nach dem Tode seines Sohnes August 1830 flüchtete Goethe in die Arbeit, und es ist durchaus denkbar, dass die Somatisation seiner Psyche zur siebenten lebensbedrohlichen Gesundheitskrise durch ein angeblich blutendes Ulkus (tiefliegendes Geschwür) geführt hat. Seine lebenslange Trinklust und Heines Beobachtung des gelben mumienhaften Gesichts machen eine chronische Lebererkrankung mit Blutung aber wahrscheinlicher.

Goethes Ende, seine achte Lebenskrise, wird von seinem Arzt Carl Vogel im Detail beschrieben und in Hufelands Journal veröffentlicht: „Fürchterlichste Angst und Unruhe trieben den seit lange nur in gemessenster Haltung sich zu bewegen gewohnten, hochbejahrten Greis mit jagender Hast bald ins Bett, wo er durch jeden Augenblick veränderte Lage Linderung zu erlangen vergeblich versuchte, bald auf den neben dem Bett stehenden Lehnstuhl. Die Zähne klapperten ihm vor Frost. Der Schmerz, der sich mehr und mehr auf der Brust festsetzte, presste dem Gefolterten bald Stöhnen, bald lautes Geschrei aus. Die Gesichtszüge waren verzerrt, das Antlitz aschgrau, die Augen tief in ihre lividen Höhlen gesunken, matt, trübe; der Blick drückte die grässlichste Todesangst aus. Das Rasseln in der Brust verwandelte sich in lautes Röcheln. Abends war der ganze Körprer kalt, der Schweiß durch vielfache, meistens wollene Bekleidung und Bedeckung gedrungen. Die lichten Zwischenräume von Besinnung kamen weniger häufig und dauerten immer kürzere Zeit. Die Kälte wuchs, der Puls verlor sich fast ganz, das Antlitz wurde aschgrau …“

Goethe stirbt am 22. März 1832 am „Stickfluss infolge eines nervös gewordenen Katarrhalfiebers“. Die Beobachtungen Vogels sind die klassische Beschreibung eines finalen Herzinfarktes, dessen Symptomatik und Pathophysiologie aber erst 70 Jahre später bekannt wurden.

Schwiegertochter Ottilie hält Goethes Hand. Als sie glaubt, nun sei der alte Mann gestorben, löst sie die Umklammerung. Da flüstert Goethe seine letzten Worte: „Nun, Frauenzimmerchen, gib mir dein gutes Pfötchen!“ Sekunden später ist er tot.

„Und möchte gern im besten Sinn entstehn“ – Zum Bildungsprozess der Homunculus-Figur in Goethes Faust II

Vortrag von Prof. Rudolf Dux, Köln, am 7. Juni 2023

In der Szene „Laboratorium“ in Faust II stellt Goethe dar, wie der „hochgelehrte“ Magister Wagner „durch chemische Künste einen Menschen zu machen im Begriff ist“. Dessen begeisterte Schilderung ist klar zu entnehmen, was sich „in der innersten Phiole“ ereignet. Darin

Erglüht es wie lebendige Kohle,

Ja wie der herrlichste Karfunkel,

Verstrahlend Blitze durch das Dunkel.

Ein helles weißes Licht erscheint!

Sichtbar wird im Spiel der Farben, dass Wagner das Destillationsverfahren der Alchimisten zur Läuterung und Umwandlung von Stoffen anwendet: Die in der Flasche in strahlendem Rot erglühende und in ein „helles weißes Licht“ verfeinerte Kohle zeigt die Umwandlung der materia prima an, aus der sich nach anfänglicher Schwärzung (negrido) durch Aufhellung (albedo) der Homunculus (Menschlein) entwickelt, womit das alchimistische opus magnum verrichtet ist.

Klar wird die Genese des Homunkel (mit alchimistischen Fachbegriffen) beschrieben:

Es leuchtet! Seht! – Nun lässt sich wirklich hoffen,

Dass, wem wir aus vielen hundert Stoffen

Durch Mischung, denn auf Mischung kommt es an,

Den Menschenstoff gemächlich komponieren,

In einen Kolben verlutieren,

Und ihn gehörig kohobieren,

So ist das Werk im stillen abgetan.

(verlutiert – mit Lehm verschlossen; kohobiert – mehrfach destilliert)

1828, ein gutes Jahr, bevor er die Homunculus-Episode endgültig niederschrieb, gelang es Friedrich Wöhler, eine organische Substanz, den Harnstoff, synthetisch herzustellen, womit durch „Kristallisieren“ (wie damals die mechanische Veränderung anorganischer Stoffe bezeichnet wurde) das größte Geheimnis der „organisierenden Natur“ enthüllt zu sein schien.

Dass Goethe nicht viel von solch „pergamentenem“ Erkenntnisoptimismus hielt und die Überzeugung des Adepten Wagner ablehnte, auf den natürlichen Zeugungsakt zu Gunsten eines „höhern Ursprungs“ des Menschen verzichten zu können, das gibt auf der Handlungsebene des Dramas der weitere Werdegang des „Männleins“ in vitro zu verstehen: Als Galatea, der Meerestöchter Schönste, am Ende der Klassischen Walpurgisnacht erscheint, zerschellt es mit seiner Phiole „von Pulsen der Liebe gerührt“ an ihrem Muschelwagen – die Schönheit der Göttin, Signum vollkommener Körperlichkeit, nach der sich Homunculus im Bewusstsein seiner Unvollkommenheit als reines Geistwesen sehnt, treibt ihn ins Meer, wo alles Lebendige seinen Ursprung hat. Indem er so den ehernen Gesetzen der Natur gehorcht, kann er seinen dringlichsten Wunsch erfüllen und wirklich „im besten Sinn entstehn“.

Das Begehren, „weislich zu entstehn“ ist leitmotivisch mit Homunculus verbunden; dass er „voll Ungeduld“ den „geschloßnen Raum“verlassen möchte, auf den er als „künstlich“ Geschaffener angewiesen ist, rechtfertigt „der große Zweck“ völliger Menschwerdung. Zum Schluss geht das Feuer seines reinen Geistes in den Urkörper des Ozeans ein, was die Sirenen, im Duktus einer rhetorischen Frage mit Daktylen und Alliterationen als „ägäisches Fest“ hymnisch preisen:

Welch feuriges Wunder verklärt uns die Wellen,

Die gegeneinander such funkelnd zerschellen.

Im Spiel der sich vereinigenden Elemente, das zugleich mit der Verbindung von Männlichem und Weiblichem als Koitus (also wiederum sehr körpernah) konnotiert ist, wird Homunculus zur organischen Ganzheit und bringt damit das Geheimnis des Lebens zur Anschauung.

Von daher lässt sich nachvollziehen, dass bei der Suche nach der Bedeutung des Homunculus auch eine Nachlass-Notiz seines Sekretärs Riemer herangezogen wurde: Goethe habe mit dieser Figur „die reine Entelechie darstellen wollen, (…) den Geist des Menschen, wie er vor aller Erfahrung ins Leben tritt“, d. h. jene Einheit des Lebens, die das Ziel (telos) seiner Entwicklung als Anlage in sich trägt, seine materielle Form organisierend und gestaltend.

Doch auch auf der seichteren Ebene eines literaturkritischen Diskurses ist Homunculus ausgemacht worden: Das reine Geistgeschöpf, das nach einem Körper strebe, sei eine Parodie auf die romantische Universal-Poesie, die laut einem Diktum ihres Programmatikers Friedrich Schlegel beständig „im Werden“ und durch die Mischung der Gattungen („auf Mischung kommt es an“) gekennzeichnet sei. Diese Dichtung hat aber nach Meinung des alten Goethe nur theoretische Entwürfe, Schemen, Kopfgeburten statt lebendiger Werke aus Fleisch und Blut hervorgebracht.

Früherer Gewährsmann der Homunculus-Herstellung war der Hohenheimer Arzt und Naturphilosoph Paracelsus mit seiner Rezeptur, wie ein „Mensch außerhalb des weiblichen Leibes und einer natürlichen Mutter geboren werden könne“. Dabei muss „das Sperma eines Manns“ in einem dicht verschlossenen kürbisartigen Gefäß durch Einlagerung in Pferdemist einem intensiven Fäulnisprozess unterzogen werden. Wenn es „in steter gleicher Wärme“ des Dungs verbleibe und mit dem geheimnisvollen Menschenblut genährt werde, entstehe nach vierzig Wochen „ein recht lebendig menschlich Kind“, das jedoch viel kleiner sei als ein natürliches. Auf die Frau wird also verzichtet. Bis 1875 (Entdeckung der weiblichen Eizelle) galt, dass allein der Vater für die Nachkommenschaft bestimmend sei.

Insofern nun Homunculus nur aus „dem Sperma des Mannes“ bzw. aus einem spirituellen Prozess hervorgeht, der Mann aber in philosophischen Schriften etwa von Anaxagoras oder Aristoteles mit dem Verstand, mithin der prägenden Form, der strukturierenden Kraft korrelliert ist, muss der ohne stoffliche Weiblichkeit Geborene zwangsläufig geistiges Potenzial in Reinkultur aufweisen.

Und in der Tat, der frei von störender Weiblichkeit in vitro erzeugte Homunculus verfügt durchweg über herausragende geistige Fähigkeiten, die er auch bei Goethe demonstriert, wenn er als reines Geistwesen in der Phiole über die Bühne schwebt. Zum einen vermag er sich in Fausts Traum einzuschleichen und ihn als „die lieblichste von allen Szenen“ auszulegen, spielt sich in ihr doch eine weitere mythische Zeugung ab, nämlich die der schönen Helena, deren Mutter Leda von Zeus höchstpersönlich, „der Schwäne Fürsten“, beglückt wird; zum anderen ist er in der Lage, den Helena begehrenden Faust in die Antike zu geleiten. So bewährt sich Homunculus als Traumdeuter, Reiseleiter und Allheilnittel, d h. er nimmt genau die Aufgaben wahr, die die Alchemie dem Stein der Weisen zuschreibt (Homunculus wird auch als Stein der Weisen gesehen).

Dennoch empfindet er vom Augenblick seiner Entstehung an ein starkes Unbehagen an seiner Körperlosigkeit, die ihn als unvollkommenes Erzeugnis alchimistischer Laborarbeit stigmatisiert. Eben deshalb vermischt er sich, seinem „Bildungstrieb“ folgend, zum Höhepunkt des zweiten Aktes in der Klassischen Walpurgisnacht mit den Wellen des Meeres, aus dem das Leben „entsprungen“ ist, bevor es sich „in tausend, abertausend Formen entfaltet“ – und holt damit für sich die Evolution nach. So setzt Goethe der Urzeugung, der Entwicklung von Organismen aus anorganischen Stoffen im Labor das organische Wachstum „nach ewigen Normen“ in der Natur entgegen – das ist für das volle Menschsein unabdingbar.

Goethe und die Kinder

Vortrag von Prof. Volker Hesse, Berlin, am 3. Mai 2023

„Wenn man sich um der Kinder Willen keine Mühe gäbe, wie wäret Ihr groß geworden?“ – Mit diesem Zitat aus Goethes „Theatralischen Sendungen“ begann der Referent seinen Vortrag. Im Alter von16 bis 26 Jahren weilte der junge Goethe als Student in Leipzig und Straßburg, in Wetzlar und Frankfurt/Main. In all diesen Stationen fiel den ihn umgebenden Menschen seine spontane naive Liebe zu Kindern als ein wesentlicher Charakterzug auf. So gewann er in Sesenheim nicht nur die Zuneigung von Friederike Brion, sondern auch die ihrer jüngeren Geschwister Jacobea Sophie und Christian, die eifrige Zuhörer seiner Märchenerzählungen wurden.

Aus den „Leiden des jungen Werther“ ist uns Charlotte Buff bekannt. Sie, die zweitälteste Tochter, hatte noch elf Geschwister, mit denen sich Goethe lebhaft beschäftigte. Im „Werther“ heißt es: „Er (Werther/Goethe) balgte sich mit ihnen herum, lag mit ihnen auf der Erde, ließ sie auf sich herumkrabbeln, und es war bei solchen Szenen oft großer Lärm und großes Geschrei.“

Wieland, der als Prinzenerzieher nach Weimar gekommen war, nimmt ihn freundlich in seiner Familie auf. Goethe schreibt: „Wieland ist gar lieb, … und gar zu gern bin ich unter seinen Kindern.“ Bei der fünften Tochter Wielands wird Goethe Pate.

Goethe, der sich früh an Frau von Stein in Weimar band, hatte zu dieser Zeit keine eigenen Kinder. Er veranstaltete jedoch für die Kinder der Freunde, der Kinder Herders, Wielands, der Frau von Stein und anderer Weimarer Kinder Kinderfeste in seinem Garten, auch schrieb er Kinderballette und veranstaltete Tanzfeste für Kinder.

Eigene Erziehungsmethoden unternahm Goethe an zwei Pflegesöhnen, Peter im Baumgarten und dem zweiten Sohn der Frau von Stein, Fritz von Stein.

Peter, ein Schweizer Hirtenknabe, war das Pflegekind eines Barons von Lindau, den Goethe 1775 in Zürich kennengelernt hatte. Er besuchte Goethe 1776 in Weimar und nahm ihm das Versprechen ab, sich in seinem Todesfall um Peter zu kümmern. Als von Lindau 1776 auf Manhattan Island fiel, hielt Goethe Wort und ließ Peter 1777 nach Weimar kommen.

Peter gliederte sich jedoch schwer ein. Nach zwei Jahren fruchtloser Erziehung schickte ihn Goethe nach Ilmenau, um ihn als Förster ausbilden zu lassen.

Den Fritz von Stein lernte Goethe bereits als Dreijährigen kennen. Er nimmt ihn 1783 zur Erziehung für drei Jahre zu sich ins Haus. Der Mutter, Frau von Stein, schreibt er: „Du weißt nicht, wie sehr ich Dich auch in ihm liebe, und wie ich mich freue, dies Pfand von Dir zu haben.“

Um ihn zu bilden, nimmt ihn Goethe mit auf Reisen, in den Harz, nach Göttingen, Kassel, Gotha und Eisenach mit. Auch schickt er ihn nach Frankfurt/Main, damit er diese und die große Stadt kennenlernen sollte. Das gute Verhältnis zu Fritz dauerte fort, auch nachdem es nach Goethes Italienreise ‚(1786 – 88) zum Bruch mit Frau von Stein kam. Insgesamt fehlten aber in der Goetheschen Erziehung Kontinuität und Konsequenz sowie eine konsequente Logik.

Fritz von Stein schätzt die Periode beim „Wahlvater Goethe“ als die „glücklichste Periode seiner Jugend“ ein: „Er begegnete mir mit Liebe, Ernst und Scherz, so wie es nötig war, so dass ich sein Betragen gegen Kinder als ein Musters dieser Art betrachte.“

Goethe hat sich verschiedentlich zu Erziehungsfragen geäußert. Er verstand im Gegensatz zu einem überwiegend konservativen Zeitgeist das Kindsein im Sinne der Auffassungen von Rousseau als eine eigenständige Entwicklungsphase des Menschen. Er sah in der Erziehung vor allem die Aufgabe, angeborene Anlagen zu entwickeln. Die Erziehungsmaximen beinhalten folgende Grundsätze:

  • Das Heranführen des Kindes an die Dinge der Wirklichkeit
  • Die Bildung entsprechend den vorhandenen Anlagen zu gestalten
  • Die Forderung nach Heiterkeit in der Pädagogik und Milde des Lehreres
  • Die Erziehung der Jugend zur Ehrfurcht den Erwachsenen gegenüber

Literarisch hat er u. a. Kinderfiguren im Sohn des „Götz von Berlichingen“, im „Werther“, in Wilhelm Meister“ (Felix, Hersilie und Mignon), das Kind in der „Novelle“, Kinder in den Maskenzügen und den unbeherrscht strebenden Euphorion ‚(Faust II) gestaltet.

Die Grenzen der Pädagogik Goethes liegen in der Überbewertung der Selbstentwicklung und der fehlenden erzieherischen Konsequenz, die auf einen systematischen und umfassenden Wissenserwerb zusätzlich zur Anschauung drängt.

Im Alter von 40 Jahren wurde Goethe Vater, die Mutter Christiane Vulpius war 24 Jahre alt. Der Sohn August war das einzige überlebende der fünf Kinder, die Goethe gemeinsam mit Christiane hatte. Ein Knabe wurde tot geboren, die anderen drei Kinder verstarben drei bis 20 Tage nach der Geburt, zusätzlich hatte Christiane mehrere Fehlgeburten. Goethe freute sich sehr auf seine nachgeborenen Kinder und war nach dem Ableben sehr betrübt.

Erzieherisch wirkte Goethe auch als Theaterdirektor auf heranwachsende kindliche und jugendliche Schauspieler ein. Besonders innig war seine Verbindung zu der Schauspielerin Christiane Neumann,später verheiratete Becker, die 12-jährig an das neugegründete Weimarer Hoftheater kam, das Goethe leitete. Nach ihrem frühen Tod schuf er ihr mit der Elegie „Euphrosyne“ ein bleibendes Denkmal.

Den Sohn der berühmten Schauspielerin Friederike Unzelmann nahm Goethe 1802 zur Ausbildung ans Weimarer Theater. Er bemühte sich um die Schauspielausbildung und lud ihn gelegentlich als Tischgast in sein Haus. Gegenüber der Mutter entschuldigte er gütig Unarten des Knaben: „Mit Ihrem Söhnlein werden Sie Geduld haben, wenn manchmal die Nachricht von einer kleinen Unvorsichtigkeit zu Ihnen gelangt. Solche Kinder, in fremde Verhältnisse gesetzt, kommen mir vor wie Vögel, die man im Zimmer fliegen lässt, sie fahren gegen alle Scheiben, und es ist schon Glück genug, wenn sie sich nicht die Köpfe einstoßen, ehe sie begreifen können, dass nicht alles Durchsichtige durchdringlich ist.“

Nachdem der 8-jährige Felix Mendelssohn(-Bartholdy) bereits auf Empfehlung Zelters zusammen mit seiner Mutter Goethe 1817 in Weimar besucht hatte, brachte der Leiter der Berliner Singakademie seinen Meisterschüler zusammen mit seiner Tochter 1821 mit nach Weimar, und Felix wohnte als 12-Jähriger vom 3. bis 19. November 1821 in Goethes Haus.

Goethe mochte den munteren und wohlerzogenen Knaben sehr. Felix begeisterte Goethe durch sein Pianospiel; dieser legte ihm Originalnoten von Mozart und Beethoven vor, und Felix konnte sie nach kurzer Konzentration zu Goethes Überraschung vom Blatt spielen.

Goethe wuchs nach dem Tod seiner anderen Geschwister mit seiner Schwester Cornelia auf, mit der er auf das Engste verbunden war. Ihren frühen Tod (mit 26 Jahren) nach der Geburt der zweiten Tochter verwand er nur schwer. Die schwere seelische Verletzung mag es mit sich gebracht haben, dass er keinen direkten Anteil an den heranwachsenden Töchtern Cornelias nahm.

Eine besondere Freude hatte der alternde Dichter an den Enkeln. Nach dem Tod seiner Frau Christiane 1816 hatte Sohn August Ottilie von Pogwitsch geheiratet. Aus dieser Verbindung gingen drei Enkel hervor, Walter Wolfgang (1818), Wolfgang Maximilian (1820) und Alma (1827).

An Marianne von Willemer schreibt er: „Meine Enkel sind wirklich wie heiteres Wetter, wo sie hintreten, ist es hell.“

Die Knaben durften selbst in Goethes Heiligtum, sein Arbeitszimmer, zum Spielen kommen. Bei der letzten Reise, die der 82-jährige universelle Geist von Weimar unternimmt, begleiten ihn die Enkel. Mit den Augen der Enkel sieht er die vertraute Ilmenauer Umgebung.neu. Als Goethe stirbt, sind die Enkel um ihn. Noch am Morgen des Sterbetages trank Goethe mit dem Zweitgeborenen „Wolf“ seinen Kaffee. In einem Brief heißt es: „Der Umgang mit Kindern macht mich froh und jung“, und Werther lässt er sagen: „Die Kinder sind meinem Herzen am nächsten auf der Erde.“

Ausflug nach Weißensee

Am 15. April, bei schlechtem Wetter, führten wir unsere erste Studienfahrt in diesem Jahr durch. Sie führte uns ins nordthüringische Weißensee. Hans-Peter Brachmanski hatte alles auf perfekte Weise organisiert. Zunächst besichtigten wir den Chinesischen Garten, erfreuten uns an den exotischen Skulpturen, den verschiedenen Erlebnisstätten wie Teich, Bach, kleinen Pagoden, kleinen Pflanzen- und Blumenarealen.

Der Marktplatz mit dem wunderschönen Renaissance-Rathaus wie auch die Kulturkirche gerieten sodann ins Blickfeld. In der Kirche, geweiht Peter und Paul, erregte der schöne Altar unsere Aufmerksamkeit. Kurios, dass man in der Zeit der Reformation der Gottesmutter einen Bart angemalt hatte, die somit zur Christusfigur avancierte. Man wollte wohl ein Zeichen gegen die katholische Heiligenverehrung setzen.

Durch die Runneburg führte uns „Burgvogt“ Tino Trautmann. Das uralte Gemäuer, einstmals eines der Sitze thüringischer Landgrafen, war interessant; so bewunderten wir ein filigranes Kapitell einer zufällig entdeckten, leider längs geteilten Säule – Zeugnis hoher mittelalterlicher Steinmetzkunst. Der große Festsaal imponierte durch sein Gebälk, der mittige Längsbalken erreicht dreißig Meter, führt von der Stirnwand zu seinem Gegenüber, auch die die Bogenfenster gefielen uns. Klar wurde: Im Mittelpunkt aller Bestrebungen steht die Sicherung des Gebäudes. Ein Video über die aufwendigen und schwierigen Arbeiten vermittelte uns davon einen Eindruck.

So verlebten wir einen schönen Tag, der allen gut gefallen hat.

Goethe und der Mond

Vortrag von Finn Sinnig, Gera, am 11. Januar 2023

Inhaltsverzeichnis:

Einleitung 1. Goethe und der Mond: Forschergeist Goethes Wissen über den Mond – Goethe als Leiter der Jenaer Sternenwarte, einige seiner Beobachtungen und Erkenntnisse – Goethes Haltung zu astronomischen Instrumenten 2. Goethes dichterische Beschäftigung mit dem Mond in ausgewählten Werken, anhand einiger Beispiele -Gedichte -Briefe und Handschriften -weitere Beispiele aus Goethes Schriften zum Motiv Mond am Fallbeispiel Wilhelm Meisters Wanderjahre und Faust 3. Zusammenfassung -Zitate Nachweis -Bibliographie

Einleitung:

Goethes Haltung zur Astronomie war ambivalent, das heißt, dass er sie zwar würdigte, sich jedoch auch skeptisch dazu äußerte. Beispiele dazu bilden folgende zwei Zitate: „Die Astronomie ist mir deswegen so wert, weil sie die einzige aller Wissenschaften ist, die allgemein anerkannten, unbestreitbaren Basen ruht, mithin mit voller Sicherheit immer weiter durch die Unendlichkeit fortschreitet. Getrennt durch Länder und Meere teilen die Astronomen, diese geselligsten aller Einsiedler, sich ihre Elemente mit und können darauf wie auf Felsen fortbauen.“(1) Andererseits sagte er auch: „… weshalb ich mich denn auch nie mit Astronomie beschäftigt habe, weil hiebei die Sinne nicht mehr ausreichen, sondern weil man hier schon zu Instrumenten, Berechnungen und Mechanik seine Zuflucht nehmen muss, die ein eigenes Leben erfordern und die nicht meine Sache waren.“(2) Sein Interesse für die Astronomie galt hauptsächlich im Dichterischem. Für ihn sind die Dichtung und die Naturwissenschaft ein großes Ganzes. Dies spiegelt sich auch in seinem Interesse an den Mond wider. Außerdem hat er sogar eine Sternenwarte in Jena gegründet, im ehemaligen Garten von Schiller. Er hat sich viel mit Beobachtungen aus dem Weltall befasst, was er hauptsächlich mit einem Teleskop getan hat. Dennoch war immer skeptisch gegenüber Instrumenten wie dem Teleskop. Hier erwies sich Goethe wieder als „Augenmensch“, so wie er sich selbst einschätzte. Dies wird in einem weiteren Teil meiner Arbeit widergespiegelt.

1. Goethe und der Mond: Forschergeist:

– Goethes Wissen über den Mond

„Es war eine Zeit, wo man den Mond nur empfinden wollte, jetzt will man ihn sehen“, schrieb Goethe an Schiller am 10.4.1800. Goethe war vom Mond begeistert, sowohl wissenschaftlich, als auch dichterisch, wozu im nächsten Abschnitt die Rede sein wird. So las er zum Beispiel 1791 Tobias Mayers Mondbericht Opera inedita oder beobachtet vom 31.7.-15.9.1799 mit einem Teleskop den Mond. Dazu schrieb er in sein Tagebuch: „Machte ich mich mit den Monde, so viel es die Witterung zuließ, bekannt mit Hilfe des Auchischen Telescops und der Schröderischen Selentopographie (Mondkarte von Johann Hierozymus Schroeter: Selenotopographische Fragmente zur genaueren Kenntnis der Mondoberfläche-1791). Auch im Jahr 1799 stellt er im Entwurf der Farbenlehre einen Mondhof dar. In seinem Roman Wanderjahre, aus dem Jahr 1821 beobachtet der Protagonist Wilhelm angeblich Pflanzenwuchs und Bauwerke auf dem Mond mit einem Spiegelteleskop. Außerdem versucht die Figur Lebewesen auf dem Mond zu entdecken und glaubt daran, dass alle Sterne Lebewesen besitzen. Damit spielte Goethe an die zu dieser Zeit vorkommenden „Mondphantasien“ an, die zum Beispiel vom Münchner Astronom und Mondforscher Franz Paula von Gruithuisen verbreitet wurden. Dieser behauptete, dass er Spuren von Mondbewohnern und sogar einer Festung gefunden hätte. Goethe äußerte sich dazu verärgert: „Offenbare Irrtümer für bare Wahrheit ausgegeben zu sehen, sei das Schrecklichste, was einem Vernünftigen begegnen könne“(3), was von Kanzler Friedrich von Müller berichtet wurde. Ende 1825 führte Goethe ein angenehmes Gespräch mit Gruithuisen, dessen neues Werk Analekten für Erd- und Himmelskunde von Goethe gelesen wurde. „Höchst merkwürdig war mir vor einigen Wochen der Besuch von Herrn Professor Gruithuisen… Man nehme die älteren Mondkarten vor sich und sehe die Stufenfolge der Deutlichkeit bis in das Einzelne der Zeichnungen und lithographischen Blätter des genannten Freundes, so wird man freudig erstaunen und ihn gern erlauben, sich Vorstellungen zu machen, die ihm zu ferneren Streben Luft und Muth erneuen.“(4) Durch den Brief Gruithuisens an Goethe am 5.9.1825 veränderte Goethe seine Einstellung zu ihm, vermutlich, da er sein Werk mit Goethes Farbenlehre positiv verglich. In Goethes Werk Zahme Xenien VI von 1827 findet man die Worte wie „das Leben wohnt in jedem Sterne/ Er wandelt mit dem anderm gerne/ Die selbsterwähnte reine Bahn…“, was möglicherweise die „Mehrheit der Welten“ symbolisiert. Goethe äußerte sich mit „vorzüglich Gruithuisens Mondphantasien“. Damals kursierten mehrere Mondphantasien, beispielsweise als Traum; Mondreise, mit einer von Schwänen gezogenen Flugmaschine; Libretto der Oper Il mondo della luna, welche von Joseph Haydn 1777 komponiert wurde. Auch spielt Goethe in Faust II auf Ferdinand Adolfs Über Massen und Steine, die aus dem Mond gefallen sind aus dem Jahr 1804 an. Daraus folgt, dass der Mond nicht nur eine Wissenschaft, sondern auch in der Literatur und Kunst der Goethezeit ein aktuelles und unterhaltsames Thema war.

– Goethe als Leiter der Jenaer Sternenwarte, einiger seiner Beobachtungen und Erkenntnisse

Der große Komet von 1811 motivierte Herzog Carl August zur Gründung der Jenaer Sternenwarte, in der Goethe später Oberaufseher werden sollte. Am Geburtstag des Herzogs, den 3.9.1813 wird die Einrichtung vollendet. Dabei wurden auch die ersten Beobachtungen einiger Fixsterne unternommen. Erster Direktor wurde Karl Heinrich Münchow (1778-1836). Zwischen 1809 und 1811 beschäftigte sich Goethe mit dem historischen Teil der Farbenlehre. Da sich Astronomen früher und intensiver mit der Augenlehre auseinandergesetzt haben, wurden viele von ihnen wie Kepler, Galilei, Herschel oder Dolland in der Farbenlehre erwähnt. Um sich optimal auf sein Amt als Oberaufseher vorzubereiten, studierte er verschiedene astronomische Werke aus der Weimarer Bibliothek, wie Keplers Ad Vitellionem paralipomena, Galileis Biographie, Newtons Opuscula mathematica, Fontenelles Crotretiens, Tobias Mayers Opera inedita, Kästners Geschichte der Mathematik und Zachs Monatliche Correspondenz. Nach seinem Amtsantritt sammelte er Handschriften und Briefe bekannter Astronomen, zum Beispiel von Bode, Bessel, Bürg, Olbers, Lalande, Harding, Herschel, Zach, Schumacher oder Gauß. Die Themen sind beispielsweise die Berechnung von Planetenbahnen, die Erscheinung von Kometen oder der Entwurf der Sternenwarte. Dadurch war er stets aktuell über die neue Wissenschaft der Astronomie informiert. Nach 1815 wurde die Sternenwarte durch bedeutende finanzielle Unterstützung des Großherzogs ausgebaut. Dadurch war sie für ihre Zeit instrumental gut ausgestattet. Für die Anfertigung und Reparatur der Instrumente war der Weimarer Hofmechanikus Johann Christoph Friedrich Körner (1778-1847) verantwortlich. 1817 unternahm er Glasschmelzversuche, welche in Briefwechseln zwischen Goethe und Carl August erwähnt wurden. Diese Versuche wurden später von seinem Schüler Carl Zeiss (1811-1888) erfolgreich weiterentwickelt. Anfang September 1828 beobachtete Goethe eine schöne Planetenkonstellation in Dornburg, wobei er sein ständiges Interesse an der Astronomie beweist. Leider konnte ich nichts dazu finden, wie Goethe Einfluss auf Beobachtungen der Jenaer Sternenwarte hinsichtlich des Mondes nahm.

– Goethes Haltung zu astronomischen Instrumenten

Aufschlussreich ist die Haltung Goethes zu astronomischen Instrumenten, obwohl diese im Hinblick auf Mondbeobachtungen kaum eine Rolle spielen. Dennoch möchte ich auf diesen Aspekt ein wenig eingehen. Goethe führt zwar Beobachtungen mit dem Teleskop durch, allerdings war er auch „allergisch“ gegenüber Brillen, Mikroskopen oder Fernrohren, da es ihn schmerzte, wenn man Licht durch ein Prisma zwängt. „Mikroskope und Fernröhre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn“(5). In Goethes Roman Wilhelm Meisters Wanderjahre betrachtet Wilhelm den Jupiter und seine Monde durch ein Fernrohr. Durch diese Bilder fühlte er sich „eingeengt“ und „beängstigt“. Er zeigt zwar Verständnis für solche Instrumente, aber fuhr auch fort: „Aber erlauben Sie mir es auszusprechen, ich habe im Leben überhaupt und in Durchschnitt gefunden, daß diese Mittel, wodurch wir unseren Sinnen zu Hülfe kommen, keine sittlich günstige Wirkung auf den Menschen ausüben. Wer durch Brillen sieht, hält sich für klüger als er ist, denn sein äußerer Sinn wird dadurch mit seiner inneren Urteilsfähigkeit außer Gleichgewicht gesetzt… So oft ich durch eine Brille sehe, bin ich ein anderer Mensch und gefalle mir selbst nicht.“ (6) Hier wird Goethes Auffassung deutlich. In der Aufklärung galt das Teleskop als Instrument, was Menschen bescheiden macht, weil es ihnen zeigt, wie klein sie eigentlich sind. Jedoch wies Goethe auf ein Problem, dass dieses Instrument Menschen ermöglicht, andere Menschen zu beobachten, ohne dass sie es bemerken. Die Figur Wilhelm meinte in Wilhelm Meisters Wanderjahre auch, das optische Instrument mache den Menschen „arrogant“. In der Zeit Goethes erweiterte das Teleskop das Gesichtsfeld über den mit bloßen Augen sichtbaren Bereich hinweg. Deshalb kam die Frage auf, was man durch das Teleskop eigentlich sieht und wie man es interpretiert. Dies war kulturhistorisch relevant.

2. Goethes dichterische Beschäftigung mit dem Mond in ausgewählten Werken, anhand einiger Beispiele

– Gedichte

Goethe hat sich zum Mond in vielfacher Weise geäußert: In Briefen, in seinen Notizen seiner Italienreise in seinen Tag- und Jahres- Hefte, in seinen Tagebüchern, im Faustdrama, in römischen Elegien, in Chinesisch-deutschen Jahres-/Tageszeiten oder im West-östlichen Divan. Zu den wichtigsten Gedichten gehören: Jägers Abendlied, Um Mitternacht, An Luna, Nähe des Geliebten und Vollmondnacht. Während der Zeit als Goethe seinen Briefroman Leiden des jungen Werthers schrieb, war er von wilden und irren Gefühlen geplagt. Als er 1775 nach Weimar gezogen ist, versuchte seine Freundin, Charlotte von Stein, seine Gefühle zu zügeln und ihn somit zu mäßigen, da sonst seine Zukunft als Dichter bedroht gewesen wäre. Dies gelang ihr endlich, Goethe fand seine innere Ruhe. Dadurch hat sich auch sein Verhältnis zum Mond verändert. Erst war er kalt und gefühlslos, jetzt verglich er ihn mit Charlotte, in die er sich verliebt hatte. Jedoch waren beide unnahbar, er konnte sie zwar verehren, aber niemals umarmen. Trotzdem hat der Mond Goethe die nötige Entspannung gegeben, die er nach stressigen Tagen brauchte. Da seine Sehnsucht unerfüllt blieb, flüchtete er nach Italien. Ich möchte mich auf die zwei wesentlichen Gedichte beschränken: An den Mond und Dem aufgehenden Vollmonde. Bei den zwei Gedichten ist das allgemeine Thema romantische Sehnsucht.

An den Mond (1778)

Füllest wieder Busch und Thal Still mit Nebelglanz, Lösest endlich auch einmal Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild Lindernd deinen Blick, Wie des Freundes Auge mild Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz Froh und trüber Zeit, Wandle zwischen Freud‘ und Schmerz In der Einsamkeit.

Fließe, fließe, lieber Fluss! Nimmer werd‘ ich froh; So verrauschte Scherz und Kuß Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal, Was so köstlich ist! Daß man doch zu seiner Qual Nimmer es vergißt!

Rausche, Fluß, das Tal entlang, Ohne Rast und Ruh, Rausche, flüstre meinem Sang Melodien zu!

Wenn du in der Winternacht Wüthend überschwillst Oder um die Frühlingspracht Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt Ohne Haß verschließt, Einen Freund am Busen hält, Und mit dem genießt,

Was, von Menschen nicht gewußt, Oder nicht bedacht, Durch das Labyrinth der Brust Wandelt in der Nacht.“

Da das Gedicht 1778 veröffentlicht wurden ist und die Natur thematisiert und sehr gefühlsbetont ist, wodurch es somit der Literaturepoche des Sturm und Drangs entstammt. Das lyrische Ich geht von Liebeskummer und Schmerz geplagt durch eine nächtliche Natur. Die Natur stellt den einzigen Freund des lyrischen Ichs da, vor allem verkörpert von dem Mond, welcher im Verlauf des Gedichts nur indirekt erwähnt wird. Durch die Betrachtung des Mondes findet die seelische Genesung des lyrischen Ichs statt. Der Mond dringt also in die seelischen Gefilde des Dichters ein. Der Blick des Mondes lindert den Schmerz wie das milde Auge eines Freundes. Es ist auch eine einsame und nächtliche Wanderung zwischen Freude und Schmerz. Unvermittelt kommt auch eine andere Naturerscheinung ins Spiel: der Fluss. Dem Fluss wie den Mond kommt die Liebe des lyrischen Ich zuteil. Voller Wehmut stellt sich die Erinnerung dieses Ichs an verlorenes dar: Scherz und Kuss und die Treue. Qualvoll erinnert sich das Ich an das köstliche, was es einst besaß und nimmer vergessen kann. Der Fluss fügt dem trauernden Gesang seine besänftigenden Melodien zu. Ohne Hass soll man sich vor der Welt verschließen, Seligkeit empfinden, wenn man einen wahren Freund gefunden hat. Mit ihm soll man das Leben genießen. In der letzten Strophe kommt das lyrische Ich auf das Problem zurück, dass erst das menschliche Dasein voller Widersprüche, voller Leid und Schmerz behaftet ist. Im Labyrinth der Brust irrt auch das Unbewusste umher, dass der Mensch auch nicht immer bedenken kann. Damit soll der Wert einer wahren Freundschaft dargestellt werden und das Gefühl der Einsamkeit vermitteln, welches durch das Fehlen eines solchen Freundes zustande kommt.

Dem aufgehenden Vollmonde (1828)

Willst du mich sogleich verlassen! Warst im Augenblick so nah! Dich umfinstern Wolkenmassen Und nun bist du gar nicht da.

Doch du fühlst wie ich betrübt bin, Blickt dein Rand herauf als Stern! Zeugest mir daß ich geliebt bin, Sei das Liebchen noch so fern.

So hinan denn! hell und heller, Reiner Bahn, in voller Pracht! Schlägt mein Herz auch schmerzlich schneller, Überselig ist die Nacht.“

Das Gedicht entstand 1828 nach dem Tod Goethes Freundes Großherzog Carl August. Goethe war dadurch sehr verzweifelt und zog sich deshalb zu den Dornburger Schlössern zurück, wo dieses Gedicht geschrieben wurde. Es entstand als Ausdruck seines Seelenschmerzes, seiner Trauer. Zugleich ist auch als Liebesnacht lesbar, da Marianne von Willemer am Werk West-östlicher Divan beteiligt war, in die Goethe verliebt war. Sie wollten sich in Betrachtung des Mondes aneinander erinnern, was etwa zeitgleich in Dornburg (Goethe) und Freiburg (Willemer) geschehen ist. Dieses Gedicht sollte an die Mondgespräche der Divanzeit erinnern. Der Anfang stellt einen Verzweiflungsmonolog des lyrischen Ichs dar. Jedoch verändert sich der Charakter im Verlauf des Gedichtes. Das Mondlicht triumphiert über die dunklen Wolken, wodurch das lyrische Ich seine Verzweiflung überwinden kann. Es findet auch ein Perspektivwechsel statt, vom lyrischen Ich zum „Du“, als Ansprache zum Mond, seinem Gefährten. Äußere und innere Zustände gehen ineinander über. Das Mondlicht übt eine besänftigende Wirkung, wodurch das lyrische Ich zur Ruhe kommt.

– Briefe und Handschriften

Goethe hatte sich auch in zahlreichen Briefen oder Handschriften über den Mond geäußert. So schrieb er beispielsweise am 17.7.1777 an Auguste Gräfin zu Stolberg:

Alles geben Götter die unendlichen Ihren Lieblingen ganz Alle Freuden die unendlichen Alle Schmerzen die unendlichen ganz.

So sang ich neulich als ich tief in einer herrlichen Mondnacht aus dem Flusse stieg der vor meinem Garten durch die Wiesen fliest;…“ Auch in seinen Briefen an Charlotte von Stein schwärmte er immer wieder von seinen geliebten Mondnächten, wie vom 13.-17.9.1777 auf der Wartburg: „… Hieroben! Wenn ich Ihnen nur diesen Blick der mich nur kostet aufzustehn vom Stuhl hinüberseegnen könnte. In dem grausen linden Dämmer des Monds die tiefen Gründe, Wiesgen, Büsche, Wälder und Waldblösen, die Felsen Abgänge davor, und hinten die Wände, und wie der Schatten des Schlossbergs unten alles finster hält und drüben an den sachten Wänden sich noch anfasst wie die nackten Felsspizzen im Monde röthen und die lieblichen Auen und Thäler ferner hinunter, und das weite Thüringen hinterwärts im dämmer sich dem Himmel mischt…“, oder am 10. und 11.12.1777: „…Ich sagte: ich hab einen Wunsch auf den Vollmond! – Nun Liebste tret ich vor die Thüre hinaus da liegt der Brocken im hohen herrlichen Mondschein über den Fichten vor mir und ich war oben heut und habe auf dem Teufels Altar meinem Gott den liebsten Danck geopfert… Alle Nebel lagen unten, und oben war herrliche Klarheit und heute Nacht bis früh war er im Mondschein sichtbaar und finster auch in der Morgendämmerung da ich aufbrach…“ Immer wieder schrieb er Charlotte von Stein Briefe über den Mond, so auch am 12.10.1780: „…Der Mond ist unendlich schön, Ich bin durch die neuen Wege gelaufen da sieht die Nacht himmlisch drein. Die Elfen sangen.

Um Mitternacht wenn die Menschen erst schlafen Dann scheinet uns der Mond Dann leuchtet uns der Stern, Wir wandlen und singen Und tanzen erst gern…“

Als Goethe 1786 seine Italienreise angetreten hat, konnte er es natürlich auch nicht vermeiden, nachts den Mond zu betrachten und darüber zu berichten, zum Beispiel am 2.2.1787: „Von der Schönheit im vollen Mondschein Rom zu durchgehen, hat man, ohne es gesehen zu haben, keinen Begriff. Alles Einzelne wird von den großen Massen des Lichts und Schattens verschlungen, und nur die größten allgemeinsten Bilder stellen sich dem Auge dar. Seit drei Tagen haben wir die hellsten und herrlichsten Nächte wohl und vollständig genossen. Einen vorzüglich schönen Anblick gewährt das Coliseo. Es wird Nachts zugeschlossen, ein Eremit wohnt darin an einem Kirchelchen, und Bettler nisten in den verfallenen Gewölben. Sie hatten auf flachem Boden ein Feuer angelegt, und eine stille Luft trieb den Rauch erst auf der Arena hin, daß der untere Theil der Ruinen bedeckt war und die ungeheuern Mauern oben drüber finster herausragten; wir standen am Gitter und sahen dem Phänomen zu, der Mond stand hoch und heiter. Nach und nach zog sich der Rauch durch die Wände, Lücken und Öffnungen, ihn beleuchtete der Mond wie ein Nebel. Der Anblick war köstlich. So muß man das Phantheon, das Capitol beleuchtet sehn, den Vorhof der Peterskirche und andere große Straßen und Plätze. Und so haben Sonne und Mond, eben wie der Menschengeist, hier ein ganz anderes Geschäft als anderer Orten, hier, wo ihrem Blick ungeheure und doch gebildete Massen entgegen stehn.“ (7) Goethe setzte seine Reise fort und berichtete über weitere bemerkenswerte Mondbeobachtungen, wie in Frascati, den 28.9.1787: „Ich bin hier sehr glücklich, es wird den ganzen Tag bis in die Nacht gezeichnet, gemahlt, getuscht, geklebt, Handwerk und Kunst recht ex professo getrieben… Abends werden die Villen im Mondschein besucht, und sogar im Dunkeln die frappantesten Motive nachgezeichnet…“ (8), oder auch im September 1787: „Besonders ist die Fülle der Mondscheinbilder über alle Begriffe, wo das einzeln Unterhaltende, vielleicht störend zu Nennende durchaus zurücktritt und nur die großen Massen von Licht und Schatten ungeheuer anmuthige , symmetrisch harmonische Riesenkörper dem Auge entgegentragen. Dagegen fehlte es denn auch Abends nicht an unterrichtender, oft aber auch neckischer Unterhaltung.“ (9) Als er im April 1788 wieder von Rom nach Weimar zurückkehren wollte, verabschiedete er sich mit den Worten: „Auf eine besonders feierliche Weise sollte jedoch mein Abschied aus Rom vorbereitet werden; drei Nächte vorher stand der volle Mond am klarsten Himmel, und ein Zauber, der sich dadurch über die ungeheure Stadt verbreitet, so oft empfunden, ward nun auf’s eindringlichste fühlbar…“ (10)

– weitere Beispiele aus Goethes Schriften zum Motiv Mond an den Fallbeispielen Wilhelm Meisters Wanderjahre und Faust

Auf Wikipedia habe ich eine namentlich nicht genannte Einschätzung zu diesem Thema gefunden, aus der ich gerne zitieren möchte. In Die Entsagenden/ Wilhelm Meisters Wanderjahre hat jede Person seine eigene Daseinsform, welche ein jeweils anderes charakteristisches Bild zeigt. Diese werden in zwei Gruppen eingeteilt: Der ersten Gruppe, welche die vom Schicksal verhafteten Form des Lebens verkörpert, steht die zweite Gruppe gegenüber, die von Planung und Entschluss getragene. Eine Figur fällt aus diesen Gruppierungen heraus: Makerie. Makerie ist weniger durch ihre Position in der gesellschaftlichen Welt definiert, als durch ihre Teilhabe am Weltall. Sie kennt das Sonnensystem nicht nur sehr gut, sie bewegt sich selbst innerhalb des Systems, mit einer festen Umlaufbahn, jenseits des Mondes. Allein schon diese kosmologische Größeneinordnung hat mein Interesse daran geweckt, einmal das gesamte Werk zu lesen. Sie ist die höchste Form der Steigerung. Im Gegensatz zu den Wissenschaftlern weiß sie bereits alles über das Universum. Sie ist eine sanfte Figur, das genaue Gegenteil Fausts. Goethe hat parallel zu Wilhelm Meisters Wanderjahren den Faust II geschrieben. Faust bezeichnet sein Studierzimmer Kerker, da dieses sehr klein, eng und staubig ist. In dieser bedrückenden Atmosphäre ist der Mond sein einziger Weggefährte. Durch diese depressive Stimmung sehnt sich Faust nach der lebendigen Natur. Diese wird sein Lehrmeister. Er fühlt ein Lebensglück in sich, das ihn glauben macht, dass er die Natur und ihre Geheimnisse verstehe. Faust ist der festen Überzeugung, gottähnlich zu sein, da er die „wirkende Natur“ vor seiner Seele, seinen Sinnen liegen sieht. Er glaubt, Eintritt in die Geisterwelt erhalten zu haben und folglich die Zusammenhänge des Kosmos zu verstehen, allerdings spricht ihm der Erdgeist diese Fähigkeiten ab. Faust sei nicht seinesgleichen, er würde die tiefsten Geheimnisse der Natur niemals ergründen können.

O sähst du, voller Mondenschein Zum letzenmal auf meine Pein, Den ich so manche Mitternacht An diesem Pult herangewacht: Dann über Büchern und Papier, Trübsel’ger Freund, erschienst du mir! Ach! Könnt ich doch auf Bergeshöhn In deinem lieben Lichte gehn, Um Bergeshöhle mit Geistern schweben, Auf Wiesen in deinem Dämmer weben, Von allem Wissensqualm entladen, In deinem Tau gesund mich baden!…

Der Mond verbirgt sein Licht Die Lampe schwindet! Es dampft! Es zucken rote Strahlen Mir um das Haupt-…“

Es finden sich jedoch auch weitere Mondhinweise in Goethes Faust, die ich hiermit anführe:

Und weiter: „Und steigt vor meinem Blick der reine Mond Besänftigend herüber, schwebe mir Von Felsen Wänden, aus dem feuchten Busch Der Vorwelt silberne gestalten auf Und lindern der Betrachtung strenge Lust“ (Faust I, Wald und Höhle / Faust)

Und schließlich: „Wie traurig steigt die unvollkommene Scheibe Des roten Monds mit später Glut heran.“ (Faust I, Walpurgisnacht / Mephisto)

Errät man wohl, Wonach du strebtest? Es war gewiss erhaben – kühn! Der du den Mond um so viel näher schwebtest, Dich zog wohl deine Sucht dahin?“ (Faust II, Hochgebirg / Mephisto)

Der Mond dient als Ausweg Fausts, er weckt in ihm die Sehnsucht des Monds als Begleiter in die Natur, in der er allen Wissensqualm entleeren kann, im Tau gesund sich badet. In der Natur erhofft sich Faust Zugang zu den Quellen zu erhalten, auf diese Weise erkunden zu können, was die Welt im Inneren zusammenhält. Da dies nicht gelingt muss er seinen Pakt mit dem Teufel schließen.

3. Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man also sagen, dass sich Goethe kaum für Berechnungen oder Zahlen, sondern für die Schönheit des Sternenhimmels interessierte, mit dem Mond als Zentrum seines astronomischen Interesses. Außerdem bevorzugte er es, mit seinen eigenen Augen zu sehen und weniger mit astronomischen Instrumenten wie dem Teleskop. Auch kritisierte er von den zu seiner Zeit vorherrschenden Mondphantasien einiger Astronomen, welche meinten, beispielsweise Lebewesen oder Festungen auf dem Mond zu beobachten. Er meinte, dass durch die von ihnen benutzten Instrumente die menschlichen Sinne getäuscht werden und somit Dinge beobachteten, welche eigentlich nicht vorhanden sind. Jedoch waren und sind Instrumente für die Astronomie noch heute von enormer Bedeutung, um neue Erkenntnisse über das Universum oder unser Sonnensystem zu erlangen, obwohl sie das Sichtfeld des Menschen verändern. Goethe hatte also folglich eine eher altmodische Meinung zu diesem Aspekt, nach meiner Einschätzung. Dichterisch oder poetisch gesehen war der Mond ein Symbol der Liebe und Schönheit für Goethe, welches seine Fantasie anregte. Aus seinen Briefen oder dichterischen Werken wie Wilhelm Meisters Wanderjahre oder An den Mond wird deutlich wie Goethe die Schönheit des Mondes bewunderte und sie immer wieder mit seelischen Motiven verband. Gerade diese Naturbeobachtungen mäßigten seine Leidenschaften. Seine seelischen Enttäuschungen hoben ihn jedoch auch zu dichterischen Höhen empor. Es ist auch festzustellen, dass der Mond immer wieder das Gesicht der Person widerspiegelt, in die Goethe zu diesem Zeitpunkt verliebt ist, sei es Charlotte von Stein oder Marianne von Willemer. Dies ist meiner Meinung nach der Beweis, dass der Mond als Symbol der Liebe von Goethe interpretiert wird. Für ihn ist der Mond das, was für andere die Sonne ist, obwohl er auch die Sonne verehrte: Der Mond zeigte ihm die Schönheit der Natur, welches vor allem durch den Mondschein ersichtlich wurde.

– Zitate Nachweis

Die Briefstellen und Tagebucheinträge wurden zitiert nach Johann Wolfgang von Goethe „An den Mond“, Verlag Elisabeth Petersen, München 1998 (1) Richard Dobel (Hrsg.): „Das Lexikon der Goethe-Zitate“, Albatros Verlag, Düsseldorf 2002, Astronomie Seite 31 (2) ebenda, Seite 31 (3) Aeka Ishihara: „Goethes Buch der Natur“, Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, Seite 63 (4) ebenda, Seite 63 (5) ebenda, Seite 52 (6) ebenda, Seite 59 (7) nach Johann Wolfgang von Goethe: „An den Mond“, Elisabeth Petersen 1998, Seite 46 (8) ebenda, Seite 56 (9) ebenda, Seite 56 (10) ebenda, Seite 58

– Bibliographie

Dobel, Richard (Hrsg.): „Das Lexikon der Goethe-Zitate“, Albatros Verlag, Düsseldorf 2002 Goethe, Johann Wolfang von, in: „An den Mond“, Verlag Elisabeth Petersen, München 1998 Goethe, Johann Wolfgang von: Werke in zehn Bänden, Band 1, KOMET MA – Service und Verlagsgesellschaft mbH, Köln Ishihara, Aeka: „Goethes Buch der Natur – Ein Beispiel der Rezeption naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in der Literatur seiner Zeit“, Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2005