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Du lieber Rinderhirte des Admet – Bettina von Arnim

erstellt am: 14.10.2015 | von: beke | Kategorie(n): Rückblick

Vortrag von Otti Planerer, Gera, am 7. Oktober 2015

Die Arnims führten in Berlin ein offenes Haus, ihr Großmut trat in glänzender Weise hervor. Sie, die Schwester Clemens Brentanos, erlebt Achim von Arnims wunderschöne Jugendnähe. Sie zankte sich mit der Günderode, denn beide liebten Arnim. Dann zankten sie sich wieder darum, ihn nicht haben zu wollen. Er musste dieses nächtliche Gespräch gehört haben. Sie krochen unter die Decke, keine muckste mehr. Am anderen Morgen, als Arnim spazieren ging, hielt die Günderode ihr Ohr an die Wand, während Bettina sprach. Ja, durchs Schlüsselloch musste Arnim ihr Gespräch gehört haben.
Bettina verehrte natürlich vor allem Goethe. 1807 trafen sie sich zum ersten Mal. Sie flog ihm sogleich an den Hals, schlief später an seiner Brust ein. Bettina schwärmte ihr ganzes Leben für Goethe. Dies hatte immer etwas Aufdringliches. In einem ihrer Briefe heißt es: „Wir gingen Hand in Hand in der lautlosen Stille der Mondnacht. Er lachte sie an: Du bist mein süßes Herz. Der Genius zwischen uns, das ist das höchste Glück.”
Im März 1811 heiratete sie Achim. Nachwuchs stellte sich ein. Sie bekamen mehrere Kinder. Doch in Wiepersdorf langweilte sie sich zu Tode. Und sie machte sich keine Illusionen. „Ach, wie sind meine Ansprüche an das Leben gesunken, und je weniger ich fordere, je mehr dingt es mir ab, und es wird mir nichts gewähren, als dass ich mich zum Schelm oder zum Lump mache … Ich habe die 12 Jahre meines Ehestands leiblich und geistigerweise auf der Marterbank zugebracht, und meine Ansprüche auf Rücksicht werden nicht befriedigt. Die Kinder, um deren irdischen Vorteil alle Opfer geschehen, werden in allem, was sich nicht mit der Ökonomie verträgt, versäumt; … wenn es nach meinem Gewissen ginge, so würde die zärtlichste Pflege ihrer geistigen Existenz alle Ausgaben dafür rechtfertigen; das Höchste, was man den Kindern an Liebe geben kann, ist, dass man sie so früh als es ihren Fähigkeiten möglich ist, mündig sein lasse, damit sie die Majestät ihrer Unschuld, die Kräfte, ja die Gewalten ihrer Gefühle noch in ihrer Gesamtheit ins praktische Leben hinüberbringen und so allein den veralteten Schlendrian eigennütziger kleinlicher Wege unterdrücken.”
Sie siedelt mit ihren Kindern nach Berlin um, während Arnim auf dem Gut blieb und dort Landwirtschaft betrieb. Von daher kommt auch in einem Brief jener Verweis auf die antike Figur des Admet, Königs von Thessalien. Der sollte sterben, weil er die Göttin Artemis beleidigt hatte. Auf Fürsprache von Apollo konnte an seiner Statt aber auch ein anderer Mensch sterben. Dies traf nun Admetos’ Gattin Alkestis. Daher die spöttische Bemerkung Bettinas: „Du lieber Rinderhirte des Admet, gedenke auch meiner unter den Kühen. Weder die braune, noch die weiße, noch die scheckige ist Dir so innig gesinnt wie ich.”
Bettina machte ihrem Mann immer wieder Mut zu eigenen literarischen Werken. Die blieben jedoch weithin unbekannt, mit Ausnahme der gemeinsam mit Brentano herausgegebenen Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn”.
Sie schrieben sich viele Briefe, sahen sich nicht oft.
1831 starb Achim von Arnim kurz vor seinem 50. Geburtstag.
Seitdem beginnt ihr zweites Leben. Sie widmet sich der Schriftstellerei. So entstehen die berühmten „Gespräche Goethes mit einem Kinde”. Goethe las oft darin. Das Buch wurde eine literarische Sensation. Auch weitere Werke entstehen, so „Dieses Buch gehört dem König”. Es ist Bettinas Bergpredigt. Ihr Engagement gilt den Armen. So war sie auch von der 48-er Revolution begeistert. Sie wollte die Vereinigung des Königtums mit der Demokratie, die Freiheit des Individuums und die unveräußerlichen Menschenrechte.
Bettinas Bergpredigt über die Armut:
„Ich sage euch: Der Reiche hat kein Recht zu geben, und die Armen müssen sich nehmen, was ihnen zukommt. Wenn sie dies vernehmen, die Reichen, die Mächtigen, die Schriftgelehrten, da werden sie zuerst verstummen vor Erstaunen. Und dann werden sie losstürmen mit Fragen: Wie? Was? Wir sollten nicht einmal das Recht haben, den Armen zu geben? Wenn wir gaben, war es nicht aus Gnade, aus Barmherzigkeit? Wir haben nicht einmal eine Pflicht und sollen ken Recht haben zu geben? O, wie seid ihr verstockt, ihr Reichen, wie ist euer Herz verhärtet, wie ist eure Seele verschlossen dem Lichte und undurchdringlich gleich einem Steine! Aus Gnade, aus Barmherzigkeit habt ihr gegeben, sagt ihr. Ja, ihr meint, einen Platz im Himmel euch zu erkaufen mit euren Gaben – aber seine Pforten werden euch verschlossen bleiben für nun und immer. – Denn wie gebt ihr? – Ihr werft den Armen eure Almosen hin, wie man einem Hunde einen Brocken zuwirft und kümmert euch nicht weiter um sie. Ihr steigt nicht hinab zu den Höhlen, wo die Not und das Elend ihr Lager aufgeschlagen haben. Wie solltet ihr auch? Der Höllendunst, den ihr einatmen müsstet, würde euren Odem verpesten; die hohlen, eingefallenen Gesichter, die ihr sehen würdet, würden euch im Traume erscheinen und euren Schlaf und eure Verdauung stören; im eignen, wohlgeheizten Zimmer würde euch frieren, wenn ihr an die Armen dächtet, die barfüßig und zerlumpt der Winterkälte preisgegeben sind. Und wovon gebt ihr den Armen? Von eurem Mammon? Ist er nicht gewonnen durch den Schweiß der Armen, oder hat ihn nicht euch zugebracht und vermehrt euer Geld, ohne dass ihr weder Hände noch Füße geregt habt? Wie also hättet ihr ein Recht, wie könnt ihr zum Verdienst euch anrechnen, wenn ihr den Armen gebt, da ihr zum Teil zurückerstattet, was ganz den Armen gehört! – Ja, das ist die neue Wahrheit, die in die Zeit gekommen ist. Aber diese Wahrheit ist noch unerkannt, gehasst, geächtet, vogelfrei. Denn noch ist das Heft der Gewalt bei den Reichen, und die wehren dieser Wahrheit den Zugang zum Volke. Darum tun sie nichts für den Geist des Volkes und erhalten es in seiner Dummheit.”

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