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Salonkultur in Thüringen

erstellt am: 02.03.2017 | von: beke | Kategorie(n): Rückblick

Vortrag von Dr. Detlef Ignasiak, Bucha, am 1. März 2017

Die Salonkultur kam aus Paris, etablierte sich um 1800 in Berlin. Es waren also vor allem Großstädte betroffen. In Thüringen waren die Salons folglich kleineren Zuschnitts, und es gab demzufolge einige Besonderheiten. Durch seine Kleinheit konnte Thüringen die geistige Höhe der Pariser Salons nie erreichen.

Bedeutendste Salonniere war Franziska von Buchwald am Gothaer Hof. Die Stadt war um die Mitte des 18. Jahrhunderts die größte und bedeutendste Residenz in Thüringen. Sie hatte etwa 10 000 Einwohner. Unter Ernst dem Frommen funktionierte das Hofleben. Franziska von Buchwald war Hofdame und Oberhofmeisterin der Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg, einer belesenen und klugen Frau, die auch das Pariser Salonleben kennengelernt hatte. Gotha war folglich ein „französischer Hof“. Dem trug auch der zeitweise Aufenthalt Voltaires bei, der wohl auf Vermittlung von Buchwalds zustande kam. Man schaute auf Gotha, dort gingen auch Nachrichten aus Paris ein.

Buchwald wurde 90 Jahre alt, sie war eine Respektsperson, selbst nach dem Tode der Herzogin. Am Gothaer Hof gab es allerdings keinen Salon im üblichen Sinne, es handelte sich vielmehr um eine Hofgesellschaft. Buchwald sorgte dafür, dass kluge Köpfe des Hofes, aber auch bürgerliche Intellektuelle auf ihren Sitz, Schloss Mönchshof in Siebleben nahe Gotha, kamen. Darunter waren Dichter, die auch auf Deutsch schrieben. Luise Dorothea hat den Gothaer Hof für die deutsche Literatur geöffnet, bevor Weimar diesen Platz später besetzte. Bedeutsam war auch der berühmte Verleger Cotta für das für ihn ferne Gotha. Er korrespondierte mit dem Literaturpapst Gottsched, und zwar in deutscher Sprache. Gottscheds Stücke sollten sogar in Gotha aufgeführt werden, aber die Herzogin war dagegen. Allerdings hat sie sich Abschriften schicken lassen. Auch Aufführungen der Neuberin sind immer noch in der Gothaer Bibliothek vorhanden. Gotha war der erste Salon mit gewissen Ablegern, Zentrum des geistigen Austausches, auch politische Wirkungen sind zu verzeichnen.

Wichtig war ebenfalls der Verleger und Schriftsteller Rudolph Zacharias Becker, der in Gotha Zeitungen gründete. Buchwald lud Becker in ihren Salon ein, aber auch andere Personen, die ansonsten keinen Zugang zum Hof gehabt hätten. Sie lud auch eine Freundin, die Dichterin Julie von Bechtolsheim, geborene Gräfin von Keller, auf Schloss Stedten ein, ebenso Wieland. Goethe wird in Stedten eingeführt. Dort las er erstmals aus einer frühen Fassung des „Faust“. Der Salon fand aller 14 Tage auf einige Jahre hinaus statt.

Julie von Bechtolsheim führte in Eisenach eine Art Salon. Auch Goethe weilte dort als Gast.

In Weimar gab es gleich mehrere Orte der Geselligkeit, die von Anna Amalia dominiert wurden: Schloss Ettersburg, Tiefurt und in Weimar selbst. Dies sind aber geschlossene Kreise, es handelte sich stets um die selben Personen (knapp 20). So kann man Anna Amlias Musenhof kaum als Salon bezeichnen.

Goethes Freitags- und Mittwochsgesellschaft war kein Salon, denn dort stand Goethe im Mittelpunkt. Wer dort etwas Falsches oder Kritische sagte, wurde nicht wieder eingeladen. Ein echter Salon entstand um 1806 mit Johanna Schopenhauer. Auch Goethe ging dorthin. Er musste sich allerdings an die Regeln halten, sich bescheiden an den Rand setzen. Weil Johanna Schopenhauer auch Christiane, Goethes nunmehr Angetraute, einlud, kam der Dichter selbst. Man konnte dort Goethe ganz authentisch, seiner selbst, erleben, musste, wie gesagt, auch Kritik ertragen, ganz im Gegensatz zum Gebaren in seinem Hause. Schopenhauers ist ein echter Salon.

In Erfurt spielte Statthalter Karl Theodor von Dalberg eine wichtige Rolle. Er erkannte um 1781 als Erster die Bedeutung Schillers, mit Blick auf dessen „Räuber“. Dalberg war Salonnier. Der Salon befand sich in der kurmainzischen Statthalterei. Dalberg, demokratischer Gesinnung und sehr leutselig, nannte die Zusammenkünfte „Assembleen“. Man versammelte sich jeden Donnerstag, von 17 bis 19 Uhr. Im Unterschied zu anderen Salons, zu denen man eingeladen wird oder nach Absprache jemanden mitbringen darf, sind Dalbergs Salons öffentlich. Man musste nur gut gekleidet sein.

Wie heutige Talk-Shows gab es einige Leute, die was zu sagen hatten, die anderen – ringsum – hörten zu. Gereicht wurden Tee und Zwieback. Goethe bemühte sich, trotz Einladungen fernzubleiben. Dagegen war Schiller der früheren Weimarer Jahre in Erfurt ein gern und oft gesehehener Gast; ein großer Mann, der sogar mit militärischen Ehren empfangen wurde. Eine wichtige Erfurter Persönlichkeit war Karl Friederich von Dacheröden, in dessem Haus solche Geistesgrößen wie Goethe, die Humboldts, Schiller, Wieland und Herder verkehrten. Er gründete eine wirtschaftspolitische Zeitung, die Dalberg unterstützte. Weiter spielten Gothaer Schriftsteller eine wichtige Rolle im Salon. Nebenbei: Herzog Ernst II. wollte Goethe nach Gotha holen, aber der ahnte, dass ihn dort geringere Freiräume erwarteten als in Weimar.

Demgegenüber kam Wieland oft nach Erfurt. Dalberg war begeistert. Wielands „Der goldene Spiegel“ fand wohlwollende Aufnahme.

In Jena wurde ein Salon von Caroline Schlegel-Schelling betrieben. Aber dieser Romantikerkreis war eine geschlossene Veranstaltung unter lauter Gleichgesinnten. Dies ist ein Salon nun nicht; erlebt von verschiedenen Meinungen, Meinungsstreit. Man möchte andere Ansichten hören und auch Neuigkeiten erfahren.

Einer der bedeutendsten Salons befand sich in Löbichau. Somit war Herzogin Anna Dorothea von Kurland die bedeutendste Salonniere Thüringens. Ihre Halbschwester und Schriftstellerin, Elisa von der Recke, war hier zu Gast. Im Winter befand man sich auf Reisen: Petersburg, Paris, Berlin. Den Sommer verbrachte man auf dem Löbichauer Musenhof. Dort wird für Unterhaltung gesorgt. Bedeutende Perönlichkeiten, die mit dem Musenhof verbunden sind: Hans Wilhelm Freiherr von Thümmel, Minister und Diplomat für Sachsen-Gotha-Altenburg, der Verleger Johnn Friedrich Pierer, dessen Schützling, der junge Brockhaus, späterer berühmter Verleger, Elisa von der Recke, deren Freund und Dichter Christoph August Tiedge. Immer wieder hielt die Herzog Ausschau, wen sie noch in ihren Salon einladen konnte. So kam Jean Paul nach Löbichau. Er fühlte sich dort sehr wohl, gedachte dort sogar, eine Adlige zu heiraten. Anna Dorothea weilte oft in Karlsbad, lernte dort Goethe kennen. So gelangte der Weimarer Dichter auch nach Löbichau. Christian Gottfried Körner, Jurist und Freund Schillers, weilte mit seinem Sohn Theodor, dem späteren großen Dichter der Befreiungskriege, vor Ort. Der russische Zar Alexander I. stattete vor und nach dem Erfurter Fürstenkongress 1808 in Löbichau. Er hielt sich dort inmitten von Bürgerlichen auf; in Russland undenkbar. Ein Gast war auch Ronneburgs Brunnenarzt und Direktor der von ihm gegründeten Veterinärmedizinischen Schule in Ronneburg, Friedrich Gabriel Sulzer, bei dem sich Goethe Mineralien bestellte. In Löbichau gab es auch kleinere Theateraufführungen. Heute befindet sich dort ein Pflegeheim. Der Portikus des schönen Schlosses blieb erhalten.

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