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Goethe und der Mond

erstellt am: 21.04.2023 | von: beke | Kategorie(n): Rückblick

Vortrag von Finn Sinnig, Gera, am 11. Januar 2023

Inhaltsverzeichnis:

Einleitung 1. Goethe und der Mond: Forschergeist Goethes Wissen über den Mond – Goethe als Leiter der Jenaer Sternenwarte, einige seiner Beobachtungen und Erkenntnisse – Goethes Haltung zu astronomischen Instrumenten 2. Goethes dichterische Beschäftigung mit dem Mond in ausgewählten Werken, anhand einiger Beispiele -Gedichte -Briefe und Handschriften -weitere Beispiele aus Goethes Schriften zum Motiv Mond am Fallbeispiel Wilhelm Meisters Wanderjahre und Faust 3. Zusammenfassung -Zitate Nachweis -Bibliographie

Einleitung:

Goethes Haltung zur Astronomie war ambivalent, das heißt, dass er sie zwar würdigte, sich jedoch auch skeptisch dazu äußerte. Beispiele dazu bilden folgende zwei Zitate: „Die Astronomie ist mir deswegen so wert, weil sie die einzige aller Wissenschaften ist, die allgemein anerkannten, unbestreitbaren Basen ruht, mithin mit voller Sicherheit immer weiter durch die Unendlichkeit fortschreitet. Getrennt durch Länder und Meere teilen die Astronomen, diese geselligsten aller Einsiedler, sich ihre Elemente mit und können darauf wie auf Felsen fortbauen.“(1) Andererseits sagte er auch: „… weshalb ich mich denn auch nie mit Astronomie beschäftigt habe, weil hiebei die Sinne nicht mehr ausreichen, sondern weil man hier schon zu Instrumenten, Berechnungen und Mechanik seine Zuflucht nehmen muss, die ein eigenes Leben erfordern und die nicht meine Sache waren.“(2) Sein Interesse für die Astronomie galt hauptsächlich im Dichterischem. Für ihn sind die Dichtung und die Naturwissenschaft ein großes Ganzes. Dies spiegelt sich auch in seinem Interesse an den Mond wider. Außerdem hat er sogar eine Sternenwarte in Jena gegründet, im ehemaligen Garten von Schiller. Er hat sich viel mit Beobachtungen aus dem Weltall befasst, was er hauptsächlich mit einem Teleskop getan hat. Dennoch war immer skeptisch gegenüber Instrumenten wie dem Teleskop. Hier erwies sich Goethe wieder als „Augenmensch“, so wie er sich selbst einschätzte. Dies wird in einem weiteren Teil meiner Arbeit widergespiegelt.

1. Goethe und der Mond: Forschergeist:

– Goethes Wissen über den Mond

„Es war eine Zeit, wo man den Mond nur empfinden wollte, jetzt will man ihn sehen“, schrieb Goethe an Schiller am 10.4.1800. Goethe war vom Mond begeistert, sowohl wissenschaftlich, als auch dichterisch, wozu im nächsten Abschnitt die Rede sein wird. So las er zum Beispiel 1791 Tobias Mayers Mondbericht Opera inedita oder beobachtet vom 31.7.-15.9.1799 mit einem Teleskop den Mond. Dazu schrieb er in sein Tagebuch: „Machte ich mich mit den Monde, so viel es die Witterung zuließ, bekannt mit Hilfe des Auchischen Telescops und der Schröderischen Selentopographie (Mondkarte von Johann Hierozymus Schroeter: Selenotopographische Fragmente zur genaueren Kenntnis der Mondoberfläche-1791). Auch im Jahr 1799 stellt er im Entwurf der Farbenlehre einen Mondhof dar. In seinem Roman Wanderjahre, aus dem Jahr 1821 beobachtet der Protagonist Wilhelm angeblich Pflanzenwuchs und Bauwerke auf dem Mond mit einem Spiegelteleskop. Außerdem versucht die Figur Lebewesen auf dem Mond zu entdecken und glaubt daran, dass alle Sterne Lebewesen besitzen. Damit spielte Goethe an die zu dieser Zeit vorkommenden „Mondphantasien“ an, die zum Beispiel vom Münchner Astronom und Mondforscher Franz Paula von Gruithuisen verbreitet wurden. Dieser behauptete, dass er Spuren von Mondbewohnern und sogar einer Festung gefunden hätte. Goethe äußerte sich dazu verärgert: „Offenbare Irrtümer für bare Wahrheit ausgegeben zu sehen, sei das Schrecklichste, was einem Vernünftigen begegnen könne“(3), was von Kanzler Friedrich von Müller berichtet wurde. Ende 1825 führte Goethe ein angenehmes Gespräch mit Gruithuisen, dessen neues Werk Analekten für Erd- und Himmelskunde von Goethe gelesen wurde. „Höchst merkwürdig war mir vor einigen Wochen der Besuch von Herrn Professor Gruithuisen… Man nehme die älteren Mondkarten vor sich und sehe die Stufenfolge der Deutlichkeit bis in das Einzelne der Zeichnungen und lithographischen Blätter des genannten Freundes, so wird man freudig erstaunen und ihn gern erlauben, sich Vorstellungen zu machen, die ihm zu ferneren Streben Luft und Muth erneuen.“(4) Durch den Brief Gruithuisens an Goethe am 5.9.1825 veränderte Goethe seine Einstellung zu ihm, vermutlich, da er sein Werk mit Goethes Farbenlehre positiv verglich. In Goethes Werk Zahme Xenien VI von 1827 findet man die Worte wie „das Leben wohnt in jedem Sterne/ Er wandelt mit dem anderm gerne/ Die selbsterwähnte reine Bahn…“, was möglicherweise die „Mehrheit der Welten“ symbolisiert. Goethe äußerte sich mit „vorzüglich Gruithuisens Mondphantasien“. Damals kursierten mehrere Mondphantasien, beispielsweise als Traum; Mondreise, mit einer von Schwänen gezogenen Flugmaschine; Libretto der Oper Il mondo della luna, welche von Joseph Haydn 1777 komponiert wurde. Auch spielt Goethe in Faust II auf Ferdinand Adolfs Über Massen und Steine, die aus dem Mond gefallen sind aus dem Jahr 1804 an. Daraus folgt, dass der Mond nicht nur eine Wissenschaft, sondern auch in der Literatur und Kunst der Goethezeit ein aktuelles und unterhaltsames Thema war.

– Goethe als Leiter der Jenaer Sternenwarte, einiger seiner Beobachtungen und Erkenntnisse

Der große Komet von 1811 motivierte Herzog Carl August zur Gründung der Jenaer Sternenwarte, in der Goethe später Oberaufseher werden sollte. Am Geburtstag des Herzogs, den 3.9.1813 wird die Einrichtung vollendet. Dabei wurden auch die ersten Beobachtungen einiger Fixsterne unternommen. Erster Direktor wurde Karl Heinrich Münchow (1778-1836). Zwischen 1809 und 1811 beschäftigte sich Goethe mit dem historischen Teil der Farbenlehre. Da sich Astronomen früher und intensiver mit der Augenlehre auseinandergesetzt haben, wurden viele von ihnen wie Kepler, Galilei, Herschel oder Dolland in der Farbenlehre erwähnt. Um sich optimal auf sein Amt als Oberaufseher vorzubereiten, studierte er verschiedene astronomische Werke aus der Weimarer Bibliothek, wie Keplers Ad Vitellionem paralipomena, Galileis Biographie, Newtons Opuscula mathematica, Fontenelles Crotretiens, Tobias Mayers Opera inedita, Kästners Geschichte der Mathematik und Zachs Monatliche Correspondenz. Nach seinem Amtsantritt sammelte er Handschriften und Briefe bekannter Astronomen, zum Beispiel von Bode, Bessel, Bürg, Olbers, Lalande, Harding, Herschel, Zach, Schumacher oder Gauß. Die Themen sind beispielsweise die Berechnung von Planetenbahnen, die Erscheinung von Kometen oder der Entwurf der Sternenwarte. Dadurch war er stets aktuell über die neue Wissenschaft der Astronomie informiert. Nach 1815 wurde die Sternenwarte durch bedeutende finanzielle Unterstützung des Großherzogs ausgebaut. Dadurch war sie für ihre Zeit instrumental gut ausgestattet. Für die Anfertigung und Reparatur der Instrumente war der Weimarer Hofmechanikus Johann Christoph Friedrich Körner (1778-1847) verantwortlich. 1817 unternahm er Glasschmelzversuche, welche in Briefwechseln zwischen Goethe und Carl August erwähnt wurden. Diese Versuche wurden später von seinem Schüler Carl Zeiss (1811-1888) erfolgreich weiterentwickelt. Anfang September 1828 beobachtete Goethe eine schöne Planetenkonstellation in Dornburg, wobei er sein ständiges Interesse an der Astronomie beweist. Leider konnte ich nichts dazu finden, wie Goethe Einfluss auf Beobachtungen der Jenaer Sternenwarte hinsichtlich des Mondes nahm.

– Goethes Haltung zu astronomischen Instrumenten

Aufschlussreich ist die Haltung Goethes zu astronomischen Instrumenten, obwohl diese im Hinblick auf Mondbeobachtungen kaum eine Rolle spielen. Dennoch möchte ich auf diesen Aspekt ein wenig eingehen. Goethe führt zwar Beobachtungen mit dem Teleskop durch, allerdings war er auch „allergisch“ gegenüber Brillen, Mikroskopen oder Fernrohren, da es ihn schmerzte, wenn man Licht durch ein Prisma zwängt. „Mikroskope und Fernröhre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn“(5). In Goethes Roman Wilhelm Meisters Wanderjahre betrachtet Wilhelm den Jupiter und seine Monde durch ein Fernrohr. Durch diese Bilder fühlte er sich „eingeengt“ und „beängstigt“. Er zeigt zwar Verständnis für solche Instrumente, aber fuhr auch fort: „Aber erlauben Sie mir es auszusprechen, ich habe im Leben überhaupt und in Durchschnitt gefunden, daß diese Mittel, wodurch wir unseren Sinnen zu Hülfe kommen, keine sittlich günstige Wirkung auf den Menschen ausüben. Wer durch Brillen sieht, hält sich für klüger als er ist, denn sein äußerer Sinn wird dadurch mit seiner inneren Urteilsfähigkeit außer Gleichgewicht gesetzt… So oft ich durch eine Brille sehe, bin ich ein anderer Mensch und gefalle mir selbst nicht.“ (6) Hier wird Goethes Auffassung deutlich. In der Aufklärung galt das Teleskop als Instrument, was Menschen bescheiden macht, weil es ihnen zeigt, wie klein sie eigentlich sind. Jedoch wies Goethe auf ein Problem, dass dieses Instrument Menschen ermöglicht, andere Menschen zu beobachten, ohne dass sie es bemerken. Die Figur Wilhelm meinte in Wilhelm Meisters Wanderjahre auch, das optische Instrument mache den Menschen „arrogant“. In der Zeit Goethes erweiterte das Teleskop das Gesichtsfeld über den mit bloßen Augen sichtbaren Bereich hinweg. Deshalb kam die Frage auf, was man durch das Teleskop eigentlich sieht und wie man es interpretiert. Dies war kulturhistorisch relevant.

2. Goethes dichterische Beschäftigung mit dem Mond in ausgewählten Werken, anhand einiger Beispiele

– Gedichte

Goethe hat sich zum Mond in vielfacher Weise geäußert: In Briefen, in seinen Notizen seiner Italienreise in seinen Tag- und Jahres- Hefte, in seinen Tagebüchern, im Faustdrama, in römischen Elegien, in Chinesisch-deutschen Jahres-/Tageszeiten oder im West-östlichen Divan. Zu den wichtigsten Gedichten gehören: Jägers Abendlied, Um Mitternacht, An Luna, Nähe des Geliebten und Vollmondnacht. Während der Zeit als Goethe seinen Briefroman Leiden des jungen Werthers schrieb, war er von wilden und irren Gefühlen geplagt. Als er 1775 nach Weimar gezogen ist, versuchte seine Freundin, Charlotte von Stein, seine Gefühle zu zügeln und ihn somit zu mäßigen, da sonst seine Zukunft als Dichter bedroht gewesen wäre. Dies gelang ihr endlich, Goethe fand seine innere Ruhe. Dadurch hat sich auch sein Verhältnis zum Mond verändert. Erst war er kalt und gefühlslos, jetzt verglich er ihn mit Charlotte, in die er sich verliebt hatte. Jedoch waren beide unnahbar, er konnte sie zwar verehren, aber niemals umarmen. Trotzdem hat der Mond Goethe die nötige Entspannung gegeben, die er nach stressigen Tagen brauchte. Da seine Sehnsucht unerfüllt blieb, flüchtete er nach Italien. Ich möchte mich auf die zwei wesentlichen Gedichte beschränken: An den Mond und Dem aufgehenden Vollmonde. Bei den zwei Gedichten ist das allgemeine Thema romantische Sehnsucht.

An den Mond (1778)

„Füllest wieder Busch und Thal Still mit Nebelglanz, Lösest endlich auch einmal Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild Lindernd deinen Blick, Wie des Freundes Auge mild Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz Froh und trüber Zeit, Wandle zwischen Freud‘ und Schmerz In der Einsamkeit.

Fließe, fließe, lieber Fluss! Nimmer werd‘ ich froh; So verrauschte Scherz und Kuß Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal, Was so köstlich ist! Daß man doch zu seiner Qual Nimmer es vergißt!

Rausche, Fluß, das Tal entlang, Ohne Rast und Ruh, Rausche, flüstre meinem Sang Melodien zu!

Wenn du in der Winternacht Wüthend überschwillst Oder um die Frühlingspracht Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt Ohne Haß verschließt, Einen Freund am Busen hält, Und mit dem genießt,

Was, von Menschen nicht gewußt, Oder nicht bedacht, Durch das Labyrinth der Brust Wandelt in der Nacht.“

Da das Gedicht 1778 veröffentlicht wurden ist und die Natur thematisiert und sehr gefühlsbetont ist, wodurch es somit der Literaturepoche des Sturm und Drangs entstammt. Das lyrische Ich geht von Liebeskummer und Schmerz geplagt durch eine nächtliche Natur. Die Natur stellt den einzigen Freund des lyrischen Ichs da, vor allem verkörpert von dem Mond, welcher im Verlauf des Gedichts nur indirekt erwähnt wird. Durch die Betrachtung des Mondes findet die seelische Genesung des lyrischen Ichs statt. Der Mond dringt also in die seelischen Gefilde des Dichters ein. Der Blick des Mondes lindert den Schmerz wie das milde Auge eines Freundes. Es ist auch eine einsame und nächtliche Wanderung zwischen Freude und Schmerz. Unvermittelt kommt auch eine andere Naturerscheinung ins Spiel: der Fluss. Dem Fluss wie den Mond kommt die Liebe des lyrischen Ich zuteil. Voller Wehmut stellt sich die Erinnerung dieses Ichs an verlorenes dar: Scherz und Kuss und die Treue. Qualvoll erinnert sich das Ich an das köstliche, was es einst besaß und nimmer vergessen kann. Der Fluss fügt dem trauernden Gesang seine besänftigenden Melodien zu. Ohne Hass soll man sich vor der Welt verschließen, Seligkeit empfinden, wenn man einen wahren Freund gefunden hat. Mit ihm soll man das Leben genießen. In der letzten Strophe kommt das lyrische Ich auf das Problem zurück, dass erst das menschliche Dasein voller Widersprüche, voller Leid und Schmerz behaftet ist. Im Labyrinth der Brust irrt auch das Unbewusste umher, dass der Mensch auch nicht immer bedenken kann. Damit soll der Wert einer wahren Freundschaft dargestellt werden und das Gefühl der Einsamkeit vermitteln, welches durch das Fehlen eines solchen Freundes zustande kommt.

Dem aufgehenden Vollmonde (1828)

„Willst du mich sogleich verlassen! Warst im Augenblick so nah! Dich umfinstern Wolkenmassen Und nun bist du gar nicht da.

Doch du fühlst wie ich betrübt bin, Blickt dein Rand herauf als Stern! Zeugest mir daß ich geliebt bin, Sei das Liebchen noch so fern.

So hinan denn! hell und heller, Reiner Bahn, in voller Pracht! Schlägt mein Herz auch schmerzlich schneller, Überselig ist die Nacht.“

Das Gedicht entstand 1828 nach dem Tod Goethes Freundes Großherzog Carl August. Goethe war dadurch sehr verzweifelt und zog sich deshalb zu den Dornburger Schlössern zurück, wo dieses Gedicht geschrieben wurde. Es entstand als Ausdruck seines Seelenschmerzes, seiner Trauer. Zugleich ist auch als Liebesnacht lesbar, da Marianne von Willemer am Werk West-östlicher Divan beteiligt war, in die Goethe verliebt war. Sie wollten sich in Betrachtung des Mondes aneinander erinnern, was etwa zeitgleich in Dornburg (Goethe) und Freiburg (Willemer) geschehen ist. Dieses Gedicht sollte an die Mondgespräche der Divanzeit erinnern. Der Anfang stellt einen Verzweiflungsmonolog des lyrischen Ichs dar. Jedoch verändert sich der Charakter im Verlauf des Gedichtes. Das Mondlicht triumphiert über die dunklen Wolken, wodurch das lyrische Ich seine Verzweiflung überwinden kann. Es findet auch ein Perspektivwechsel statt, vom lyrischen Ich zum „Du“, als Ansprache zum Mond, seinem Gefährten. Äußere und innere Zustände gehen ineinander über. Das Mondlicht übt eine besänftigende Wirkung, wodurch das lyrische Ich zur Ruhe kommt.

– Briefe und Handschriften

Goethe hatte sich auch in zahlreichen Briefen oder Handschriften über den Mond geäußert. So schrieb er beispielsweise am 17.7.1777 an Auguste Gräfin zu Stolberg:

„Alles geben Götter die unendlichen Ihren Lieblingen ganz Alle Freuden die unendlichen Alle Schmerzen die unendlichen ganz.

So sang ich neulich als ich tief in einer herrlichen Mondnacht aus dem Flusse stieg der vor meinem Garten durch die Wiesen fliest;…“ Auch in seinen Briefen an Charlotte von Stein schwärmte er immer wieder von seinen geliebten Mondnächten, wie vom 13.-17.9.1777 auf der Wartburg: „… Hieroben! Wenn ich Ihnen nur diesen Blick der mich nur kostet aufzustehn vom Stuhl hinüberseegnen könnte. In dem grausen linden Dämmer des Monds die tiefen Gründe, Wiesgen, Büsche, Wälder und Waldblösen, die Felsen Abgänge davor, und hinten die Wände, und wie der Schatten des Schlossbergs unten alles finster hält und drüben an den sachten Wänden sich noch anfasst wie die nackten Felsspizzen im Monde röthen und die lieblichen Auen und Thäler ferner hinunter, und das weite Thüringen hinterwärts im dämmer sich dem Himmel mischt…“, oder am 10. und 11.12.1777: „…Ich sagte: ich hab einen Wunsch auf den Vollmond! – Nun Liebste tret ich vor die Thüre hinaus da liegt der Brocken im hohen herrlichen Mondschein über den Fichten vor mir und ich war oben heut und habe auf dem Teufels Altar meinem Gott den liebsten Danck geopfert… Alle Nebel lagen unten, und oben war herrliche Klarheit und heute Nacht bis früh war er im Mondschein sichtbaar und finster auch in der Morgendämmerung da ich aufbrach…“ Immer wieder schrieb er Charlotte von Stein Briefe über den Mond, so auch am 12.10.1780: „…Der Mond ist unendlich schön, Ich bin durch die neuen Wege gelaufen da sieht die Nacht himmlisch drein. Die Elfen sangen.

Um Mitternacht wenn die Menschen erst schlafen Dann scheinet uns der Mond Dann leuchtet uns der Stern, Wir wandlen und singen Und tanzen erst gern…“

Als Goethe 1786 seine Italienreise angetreten hat, konnte er es natürlich auch nicht vermeiden, nachts den Mond zu betrachten und darüber zu berichten, zum Beispiel am 2.2.1787: „Von der Schönheit im vollen Mondschein Rom zu durchgehen, hat man, ohne es gesehen zu haben, keinen Begriff. Alles Einzelne wird von den großen Massen des Lichts und Schattens verschlungen, und nur die größten allgemeinsten Bilder stellen sich dem Auge dar. Seit drei Tagen haben wir die hellsten und herrlichsten Nächte wohl und vollständig genossen. Einen vorzüglich schönen Anblick gewährt das Coliseo. Es wird Nachts zugeschlossen, ein Eremit wohnt darin an einem Kirchelchen, und Bettler nisten in den verfallenen Gewölben. Sie hatten auf flachem Boden ein Feuer angelegt, und eine stille Luft trieb den Rauch erst auf der Arena hin, daß der untere Theil der Ruinen bedeckt war und die ungeheuern Mauern oben drüber finster herausragten; wir standen am Gitter und sahen dem Phänomen zu, der Mond stand hoch und heiter. Nach und nach zog sich der Rauch durch die Wände, Lücken und Öffnungen, ihn beleuchtete der Mond wie ein Nebel. Der Anblick war köstlich. So muß man das Phantheon, das Capitol beleuchtet sehn, den Vorhof der Peterskirche und andere große Straßen und Plätze. Und so haben Sonne und Mond, eben wie der Menschengeist, hier ein ganz anderes Geschäft als anderer Orten, hier, wo ihrem Blick ungeheure und doch gebildete Massen entgegen stehn.“ (7) Goethe setzte seine Reise fort und berichtete über weitere bemerkenswerte Mondbeobachtungen, wie in Frascati, den 28.9.1787: „Ich bin hier sehr glücklich, es wird den ganzen Tag bis in die Nacht gezeichnet, gemahlt, getuscht, geklebt, Handwerk und Kunst recht ex professo getrieben… Abends werden die Villen im Mondschein besucht, und sogar im Dunkeln die frappantesten Motive nachgezeichnet…“ (8), oder auch im September 1787: „Besonders ist die Fülle der Mondscheinbilder über alle Begriffe, wo das einzeln Unterhaltende, vielleicht störend zu Nennende durchaus zurücktritt und nur die großen Massen von Licht und Schatten ungeheuer anmuthige , symmetrisch harmonische Riesenkörper dem Auge entgegentragen. Dagegen fehlte es denn auch Abends nicht an unterrichtender, oft aber auch neckischer Unterhaltung.“ (9) Als er im April 1788 wieder von Rom nach Weimar zurückkehren wollte, verabschiedete er sich mit den Worten: „Auf eine besonders feierliche Weise sollte jedoch mein Abschied aus Rom vorbereitet werden; drei Nächte vorher stand der volle Mond am klarsten Himmel, und ein Zauber, der sich dadurch über die ungeheure Stadt verbreitet, so oft empfunden, ward nun auf’s eindringlichste fühlbar…“ (10)

– weitere Beispiele aus Goethes Schriften zum Motiv Mond an den Fallbeispielen Wilhelm Meisters Wanderjahre und Faust

Auf Wikipedia habe ich eine namentlich nicht genannte Einschätzung zu diesem Thema gefunden, aus der ich gerne zitieren möchte. In Die Entsagenden/ Wilhelm Meisters Wanderjahre hat jede Person seine eigene Daseinsform, welche ein jeweils anderes charakteristisches Bild zeigt. Diese werden in zwei Gruppen eingeteilt: Der ersten Gruppe, welche die vom Schicksal verhafteten Form des Lebens verkörpert, steht die zweite Gruppe gegenüber, die von Planung und Entschluss getragene. Eine Figur fällt aus diesen Gruppierungen heraus: Makerie. Makerie ist weniger durch ihre Position in der gesellschaftlichen Welt definiert, als durch ihre Teilhabe am Weltall. Sie kennt das Sonnensystem nicht nur sehr gut, sie bewegt sich selbst innerhalb des Systems, mit einer festen Umlaufbahn, jenseits des Mondes. Allein schon diese kosmologische Größeneinordnung hat mein Interesse daran geweckt, einmal das gesamte Werk zu lesen. Sie ist die höchste Form der Steigerung. Im Gegensatz zu den Wissenschaftlern weiß sie bereits alles über das Universum. Sie ist eine sanfte Figur, das genaue Gegenteil Fausts. Goethe hat parallel zu Wilhelm Meisters Wanderjahren den Faust II geschrieben. Faust bezeichnet sein Studierzimmer Kerker, da dieses sehr klein, eng und staubig ist. In dieser bedrückenden Atmosphäre ist der Mond sein einziger Weggefährte. Durch diese depressive Stimmung sehnt sich Faust nach der lebendigen Natur. Diese wird sein Lehrmeister. Er fühlt ein Lebensglück in sich, das ihn glauben macht, dass er die Natur und ihre Geheimnisse verstehe. Faust ist der festen Überzeugung, gottähnlich zu sein, da er die „wirkende Natur“ vor seiner Seele, seinen Sinnen liegen sieht. Er glaubt, Eintritt in die Geisterwelt erhalten zu haben und folglich die Zusammenhänge des Kosmos zu verstehen, allerdings spricht ihm der Erdgeist diese Fähigkeiten ab. Faust sei nicht seinesgleichen, er würde die tiefsten Geheimnisse der Natur niemals ergründen können.

„O sähst du, voller Mondenschein Zum letzenmal auf meine Pein, Den ich so manche Mitternacht An diesem Pult herangewacht: Dann über Büchern und Papier, Trübsel’ger Freund, erschienst du mir! Ach! Könnt ich doch auf Bergeshöhn In deinem lieben Lichte gehn, Um Bergeshöhle mit Geistern schweben, Auf Wiesen in deinem Dämmer weben, Von allem Wissensqualm entladen, In deinem Tau gesund mich baden!…

Der Mond verbirgt sein Licht Die Lampe schwindet! Es dampft! Es zucken rote Strahlen Mir um das Haupt-…“

Es finden sich jedoch auch weitere Mondhinweise in Goethes Faust, die ich hiermit anführe:

Und weiter: „Und steigt vor meinem Blick der reine Mond Besänftigend herüber, schwebe mir Von Felsen Wänden, aus dem feuchten Busch Der Vorwelt silberne gestalten auf Und lindern der Betrachtung strenge Lust“ (Faust I, Wald und Höhle / Faust)

Und schließlich: „Wie traurig steigt die unvollkommene Scheibe Des roten Monds mit später Glut heran.“ (Faust I, Walpurgisnacht / Mephisto)

„Errät man wohl, Wonach du strebtest? Es war gewiss erhaben – kühn! Der du den Mond um so viel näher schwebtest, Dich zog wohl deine Sucht dahin?“ (Faust II, Hochgebirg / Mephisto)

Der Mond dient als Ausweg Fausts, er weckt in ihm die Sehnsucht des Monds als Begleiter in die Natur, in der er allen Wissensqualm entleeren kann, im Tau gesund sich badet. In der Natur erhofft sich Faust Zugang zu den Quellen zu erhalten, auf diese Weise erkunden zu können, was die Welt im Inneren zusammenhält. Da dies nicht gelingt muss er seinen Pakt mit dem Teufel schließen.

3. Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man also sagen, dass sich Goethe kaum für Berechnungen oder Zahlen, sondern für die Schönheit des Sternenhimmels interessierte, mit dem Mond als Zentrum seines astronomischen Interesses. Außerdem bevorzugte er es, mit seinen eigenen Augen zu sehen und weniger mit astronomischen Instrumenten wie dem Teleskop. Auch kritisierte er von den zu seiner Zeit vorherrschenden Mondphantasien einiger Astronomen, welche meinten, beispielsweise Lebewesen oder Festungen auf dem Mond zu beobachten. Er meinte, dass durch die von ihnen benutzten Instrumente die menschlichen Sinne getäuscht werden und somit Dinge beobachteten, welche eigentlich nicht vorhanden sind. Jedoch waren und sind Instrumente für die Astronomie noch heute von enormer Bedeutung, um neue Erkenntnisse über das Universum oder unser Sonnensystem zu erlangen, obwohl sie das Sichtfeld des Menschen verändern. Goethe hatte also folglich eine eher altmodische Meinung zu diesem Aspekt, nach meiner Einschätzung. Dichterisch oder poetisch gesehen war der Mond ein Symbol der Liebe und Schönheit für Goethe, welches seine Fantasie anregte. Aus seinen Briefen oder dichterischen Werken wie Wilhelm Meisters Wanderjahre oder An den Mond wird deutlich wie Goethe die Schönheit des Mondes bewunderte und sie immer wieder mit seelischen Motiven verband. Gerade diese Naturbeobachtungen mäßigten seine Leidenschaften. Seine seelischen Enttäuschungen hoben ihn jedoch auch zu dichterischen Höhen empor. Es ist auch festzustellen, dass der Mond immer wieder das Gesicht der Person widerspiegelt, in die Goethe zu diesem Zeitpunkt verliebt ist, sei es Charlotte von Stein oder Marianne von Willemer. Dies ist meiner Meinung nach der Beweis, dass der Mond als Symbol der Liebe von Goethe interpretiert wird. Für ihn ist der Mond das, was für andere die Sonne ist, obwohl er auch die Sonne verehrte: Der Mond zeigte ihm die Schönheit der Natur, welches vor allem durch den Mondschein ersichtlich wurde.

– Zitate Nachweis

Die Briefstellen und Tagebucheinträge wurden zitiert nach Johann Wolfgang von Goethe „An den Mond“, Verlag Elisabeth Petersen, München 1998 (1) Richard Dobel (Hrsg.): „Das Lexikon der Goethe-Zitate“, Albatros Verlag, Düsseldorf 2002, Astronomie Seite 31 (2) ebenda, Seite 31 (3) Aeka Ishihara: „Goethes Buch der Natur“, Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, Seite 63 (4) ebenda, Seite 63 (5) ebenda, Seite 52 (6) ebenda, Seite 59 (7) nach Johann Wolfgang von Goethe: „An den Mond“, Elisabeth Petersen 1998, Seite 46 (8) ebenda, Seite 56 (9) ebenda, Seite 56 (10) ebenda, Seite 58

– Bibliographie

Dobel, Richard (Hrsg.): „Das Lexikon der Goethe-Zitate“, Albatros Verlag, Düsseldorf 2002 Goethe, Johann Wolfang von, in: „An den Mond“, Verlag Elisabeth Petersen, München 1998 Goethe, Johann Wolfgang von: Werke in zehn Bänden, Band 1, KOMET MA – Service und Verlagsgesellschaft mbH, Köln Ishihara, Aeka: „Goethes Buch der Natur – Ein Beispiel der Rezeption naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in der Literatur seiner Zeit“, Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2005

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