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Der Maler der Romantik – Philipp Otto Runge und Goethe

erstellt am: 13.05.2019 | von: beke | Kategorie(n): Rückblick

Vortrag von Prof. Ludolf von Mackensen, Kassel, am 7. Mai 2019

Goethe hatte einst ein Malerei-Preisausschreiben initiiert. Philipp Otto Runge beteiligte sich daran, er wählte als Thema „Achill und Skamandros“. Die Szene schildert den Kampf Achills mit dem Flussgott. Goethe zeigte sich jedoch durchaus nicht zufrieden, und Runge erhielt keinen Preis. Dennoch blieb ihm Goethe gewogen. Obwohl er diese Zeichnung ablehnte, förderte Goethe den jungen Maler, und es entwickelte sich sogar eine Freundschaft.
Runge sah in den Farben besondere Naturkräfte, und in seinen Farbauffassungen traf er sich durchaus mit Goethe, obwohl die romantische Sicht der klassizistischen ja zuwider lief. Runge gilt als Mitbegründer der Romantik, er suchte Spiritualität in der Natur. Dagegen besaß Goethe ein ambivalentes Verhältnis zur romantischen Richtung; einerseits sah er in ihr nichts Natürliches, er sah in ihr nur Bizarres, Fratzenhaftes und Karikaturhaftes. Andererseits unterstützte er Romantiker, zeigte sich durchaus tolerant. Runge entwarf auch große Sprachbilder, zeigte sich als ernst zu nehmender Dichter. Und er erwies sich als Christussucher. „Von Anfang ist sie gekommen“, heißt es in seinem „Gesang an die Sonne“, und weiter heißt es: „Oh, dass ich fliegen könne mit dir und preisgeben meine Seele“.
Runge fragt: Wie kann man jetzt noch etwas Klassisches machen, alte Kunst zurückrufen wollen? Er fühlt sich als Avantgardist. Dies schließt auch Kritik gegen den Klerus ein, ihm stellt er seine eigene religiöse Imagination entgegen. „Wir wollen sehen in jeder Blume den lebendigen Geist, erst so erlangt alles Bedeutung und Sprache.“
Runge stellt zehn Anforderungen an ein Kunstwerk, davon sind drei die wichtigsten: Ahnung von Gott, Kolorit, Farbton. Bei den Farben kommen Goethe und Runge einander nahe. Goethes Farbenlehre und Runges Farbkugel erscheinen im gleichen Jahr: 1810. Es kommt zum freundschaftlichen Gedankenaustausch. Goethes Farbenlehre erweist sich im Ãœbrigen als umfangreicher als „Faust“ und „Wilhelm Meister“. Runge begründet gefällige und logische Farbmetriken. Er wollte seine Farbmodelle in drei Koordinaten räumlich geordnet und im Gesamtzusammenhang arrangiert sehen. Runge orientiert sich – wie Goethe – nicht an Newton und dessen Spektralanalyse. Immer wieder vertrat er auch das Geistige in der Kunst.
Ein Beispiel dafür ist die Zeichnung „Der Morgen“ aus seinem Tages-Zyklus. Lichtgenien tanzen auf Blüten, im untere Teil musizieren Engelchen auf noch nicht geöffneten Blütenzweigen. Die Sonne erscheint. Arabesken umranken das Ganze. Bemerkenswert ist auch die Federzeichnung „Die Heimkehr der Söhne“, auch in diesem Beispiel wird Seelisches in Szene gesetzt.
Zwei Dinge haben nach Runge keine Farbe: das Licht und die Finsternis. Farben sind phänomenologischer Natur, und das menschliche Auge gehört dazu. Im Zusammenwirken entstehen erst die Farben. Licht ohne Luft (Finsternis) ist unsichtbar. Wenn die Luft das Licht streut, entsteht Blau. Wenn das Licht die Luft durchdringt, entsteht Rot. Die durchleuchtete Wolke erzeugt allerdings kein Rot.
Das Diffuse der Atmosphäre bricht gelbes Licht so, dass sie für die Erdbewohner blau erscheint. Das Licht vor dem schwarzen Weltraum wird so weit abgedunkelt, dass die Atmosphäre eben blau erscheint. Dies ist ein Urphänomen, das demzufolge nicht weiter zurückgeführt werden kann.
Die Entstehung des Purpurrot entsteht im sogenannte Goethespektrum durch Überlagerung von Rot und Blau. Dieser Farbton wird auch Magenta genannt und ist gut geeignet in den Druckverfahren. Er geht auf eine Entdeckung Goethes zurück, ist auch in seinen Farbkreis eingeordnet. Zwischen Gelb und Blau entsteht Grün. Goethe versuchte zu zeigen, dass das weiße Licht nicht zusammengesetzt ist und sich Farben aus einer Wechselwirkung von Licht und Finsternis ergeben. In diesem Sinne deutete er die Kantenspektren die er beim Betrachten dunkler Streifen auf hellem Hintergrund und heller Streifen auf dunklem Hintergrund durch ein Prisma sah. Diese Erfahrung gab ihm den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung seiner eigenen Farbenlehre.
Runge ordnet die Farben auf seiner Farbkugel an. Im Schnitt von Nord- zu Südpol zeigt sich dabei eine Grauachse. Wichtig sind ihm die Komplementärfarben; solche, die bei Mischung Weiß oder Schwarz ergeben. Blau-Orange, Rot-Grün und Gelb-Violett sind nach Goethe Komplementärfarben. Runge ordnet sie auf seiner Farbkugel an. Von dort bekommen sie auch ihre Grauwerte, und damit werden auch Brauntöne und „schmutzige Farben“ möglich. Auch sie abbilden zu können, ist Runges Leistung. Er schafft Probedrucke. Schon 1807 kommt ein Hinweis von ihm an Goethe.
Den Grundfarben in der Farbanordnung werden menschliche Eigenschaften zugeordnet: oben Rot als Idee der Liebe, unten Grün als Reales, aber auch schön und unschön. Auch wird in männliche und weibliche Leidenschaft unterteilt. Somit symbolisiert der Farbenkreis ebenso das menschliche Geistes- und Seelenleben. Goethe und Runge kommen hierbei auf ähnliche Erkenntnisse.

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