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„Der Köstritzer Liederdichter Julius Sturm“

erstellt am: 01.09.2014 | von: beke | Kategorie(n): Rückblick

Vortrag von Barbara Dölitzsch, Gera, am 3. September 2014

Julius Sturm wurde am 21. Juli 1816 in Bad Köstritz als ältester von fünf Brüdern geboren. Sie alle leisteten recht viel für Bad Köstritz, Gera und Umgebung. Ein Onkel oder der Vater prägten einmal das Wort: „Fünf Stürme brausen durch das Land“.

Die Referentin zieht das Werk von August Sturm, Julius‘ Sohn, als Zitatengrundlage heran. Die Zeit als Hauslehrer waren prägend für Sturms Entwicklung. So raf er 1841 auf eine Familie mit sechs Kindern. Die Eltern besaßen ein Hotel, waren hochgebildet. In den Wintermonaten abends erwartete die Kinderschar von ihm Märchen. Nachdem Grimm „durch“ war, wurde Sturm selbst zum Märchendichter.

Nach Kahnfahrten auf dem Neckar nahe Heilbronn kam mann zum Weinsberg, an dessem Fuß sich das Haus des Dichters und Geistersehers Justinus Kerner befand. Hier wurde Sturm von seinem Prinzipal eingeführt, wo er mit vielen literarischen Größen, so Uhland, David Strauß und Lenau, der hier einen Teil seines „Faust“ dichtete. Kerner erzählt: „Sturm war ein gern gesehener Gast. Aus Bescheidenheit blieb er aber — ein eher seltener Gast.“

Sturm erhielt eine Anstellung beim Kammerherrn von Metsch, wurde Erzieher von zwei acht- bzw. neunjährigen Knaben. Er gehörte zum Familienkreis. Durch häufige Einladungen gestaltete sich die Unterrichtsgestaltung sehr schwierig. Die Kinder liebten ihn. Die gesamte Familie – und mit ihr auch Julius Sturm – erkrankte schwer. Das fromme Lied „Ich halte still“ stammt aus dieser Zeit.

Sohn August fand in einem schwarzen Büchlein viele Lieder, die sich direkt auf den Tod von Julius‘ Frau, Augusts Stiefmutter, beziehen. Dies kann man ebenfalls als Ursprung für die frommen Lieder sehen.

Beide hatten eine glückliche Ehe geführt. Sohn August schreibt von einer äußerst liebevollen Mutter. Nach dem Tod ihres ersten, eigenen Kindes wandte sie sich umso liebevoller dem Kind ihrer Schwester, August, zu.

In Göschitz lebten Julius Sturm und seine Gattin Clara als echtes Dorfpfarrer-Ehepaar mit den Bauern des Ortes einträchtig zusammen. Für den außerordentlich naturverbundenen Sturm muss hier der Garten Eden gewesen sein. Für diese Zeit in Göschitz war er sehr dankbar, kam er doch mit einer weiteren Bevölkerungsgruppe in Kontakt, die der Natur ihre Erzeugnisse mühsam abringen mussten.

In Göschitz entstanden viele seiner Märchen, übrigens oft unter dem Pseudonym Jul. Stern veröffentlicht. Wieder machte das Unglück vor dem Pfarrhaus nicht halt. August Sturms Brüderchen Johannes starb an Scharlach.

Später charakterisiert Sohn August seinen Vater trotz allem als lebensbejahenden humorigen Menschen, der gern auch mal im frohen Kreis der Zecher feierte, so im Geraer „Schwarzen Casino“, auf dem Köstritzer Bahnhof oder bei August, der in Naumburg ansässig war, beim dortigen „Schweren Wagner“.

In Köstritz bezog Sturm zunächst eine Wohnung in der alten Pfarre. Hier lebte die Familie mit Schwiegervater Schottin zusammen. August beschreibt es als Kinderparadies. Das geliebte alte Pfarrhaus musste abgerissen werden, da eines Tages die Decke einbrach. Sturms Lieblingsspaziergang führte ihn immer durch den schönen Park. Von dort ging es auch auf den „Poetenweg“ in die Landschaft, zum Beispiel zu den „Drei Heiligen“, zur Oelsdorfsmühle oder zu den Zwergenhöhlen, deren Sagen Sturm besungen hat.

Sturms dichterisches Schaffen war oft mit sehr viel Leid durchdrungen. Auch gesundheitlich stand es mit ihm nicht zum Besten. Die teuren Kuren in Karlsbad wirkten bei ihm nicht allzu sehr.

In den Jahren in Bad Köstritz entstand eine Vielzahl seiner Dichtunge, zum Teil für seine Kinder Heinrich und Anna und später für seine Pflegetochter Marie Böhme. Mit Prof. Saupe entstand eine „Poetik“ und die „Lutherbilder“, allerdings unter anderem Namen. „Das Buch für meine Kinder“ enthielt Fabeln, Lieder, Märchen.

Bezeichnend für die Familie Sturm war der enge und wohl auch herzliche Kontakt zu der reussischen Fürstenfamilie.

Hier ein Beispiel seiner Dichtungen:

Der Bauer und das Kinderparadies

Der Bauer steht vor seinem Feld

und zieht die Stirne kraus in Falten:

„Ich hab‘ den Acker wohl bestellt,

auf reine Aussaat streng gehalten;

nun sehr mir eins das Unkraut an!

Das hat der böse Feind getan,“

Da kommt sein Knabe hoch beglückt,

mit bunten Blüten reich beladen;

im Felde hat er sie gepflückt,

Kornblumen sind es, Mohn und Raden.

Er jauchzt: „Sieh Vater, nur die Pracht!

Die hat der liebe Gott gemacht.“

Und ein weiteres:

Die Affen und die Flinte

Ein Jäger schlief; sein Schlaf war tief und schwer;

dicht neben ihm im Wald lag sein Gewehr.

Da schlichen Affen leise sich heran

und um die schöne Flinte war’s getan;

sie schleppten heimlich das Gewehr mit fort

tief in den Wald an einen sich’ren Ort.

Hier sprach ein Äffchen: „Seht doch, habt wohl acht,

dies Ding hat vielen von uns den Tod gebracht.“

„Hm!“ brummt ein vielgereister Pavian,

„ihr starrt das Ding hier voll Entsetzen an,

das bringt uns arme Tiere nur in Not,

doch wenn der Mensch erst sein Geschlecht bedroht,

dann nennt er noch ganz andre Waffen sein,

die hundertfachen Tod auf einmal spein;

und wer ein neues Mordgewehr ersann,

der gilt bei ihm als hochberühmter Mann.“

„Dann ist’s ein Glück“, rief froh ein Affenkind,

„dass wir nur Tiere und nicht Menschen sind.“

Allerdings verfasste Sturm, Verehrer Bismarcks, auch durchaus kriegerische Lyrik, nach dem Krieg mit Frankreich 1870 entstanden „Kampf- und Siegesgedichte“. Allerdings hat er später einiges davon relativiert.

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