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„Claudine von Villa Bella“ – ein fast vergessenes Jugendwerk Goethes

erstellt am: 21.02.2014 | von: beke | Kategorie(n): Rückblick

Vortrag von Dr. Thomas Frantzke, Leipzig, am 19. Februar 2014

Schauspiel mit Gesang als Singspiel.Goethe nutzte zugleich Gassenhauer und Volkslieder und schuf somit eine Schauerballade. Er führte das Motiv des libertären, „edlen“ Vagabunden ein. Allerdings war dies doch nicht so ganz neu, denn der „edle Vaganbund“ speiste sich aus spanischen Motiven eines Mantel-und-Degen-Heldes. Auf der anderen Seite ist der Abenteuerer, Frauenheld und Künstler in einer Person doch recht neu in der deutschen Literatur.

Das Stück fand wenig Resonanz.

Thema ist der Ausbruch eines Adligen, der die Fesseln seiner Familie sprengt.

Claudine, die einzige Tochter des Alonzo von Villa Bella, feiert ihre Volljährigkeit mit ihrem Vater, ihrer Nichte Lucinde und Pedro von Castellvecchio. Selbiger forscht nach seinem Bruder Carlos. Was Pedro nicht weiß: Sein Bruder ist unter dem Pseudonym Rugantino inzwischen zum Führer einer Räuberbande anvanciert, nachdem er die Familie verlassen hatte. Nun soll Carlos/Rugantino den verstorbenen Vater beerben. Bevor sich Don Pedro auf den Weg nach seinem Bruder macht, erklärt er seine Liebe zu Claudine. Sie erfährt zugleich, warum er eine Zeitlang weggehen muss. Lucinde steht ihr in ihrem Schmerz bei. Um sie ein wenig abzulenken, erzählt ihr Lucinde von einem hübschen Fremdling, den sie getroffen habe und in den sie in heftiger Liebe entbrannt sei.

Währenddessen ist Rugantino bei seiner Räuberbande eingetroffen und fordert seine Kumpane auf, ihm bei der Entführung der geliebten Lucinde zu helfen. Doch der Wortführer der Bande, Basko, weigert sich. Er treibt damit einen Keil in die Männer.

Rugantino (Carlos) und Pedro besingen ihre jeweilige Geliebte. Doch sie glauben irrenderweise, dass es sich um dieselbe Person handelt. Voller Eifersucht kämpfen sie miteinander. Dabei wird Pedro verwundet und ins Lager der Räuberbande gebracht. Der Lärm ruft die Schlosswächter auf den Plan. Sie durchstreifen die Gegend. Entgegen jeglicher Vernunft will Rugantino ohne Lucinde nicht fliehen. Ihm gelingt es schließlich, sich eine Einladung ins Schloss zu ergattern, gibt sich dort als Gast des Fürsten Rocca Bruna aus. Ein Diener erkennt ihn jedoch unter der Maskerade. In dieser gefährlichen Situation ergreift Rugantino Claudine und droht, sie zu töten, falls man ihm nicht freien Abzug gewährt. Es gelingt ihm zu fliehen.

Währenddessen überzeugt Pedro einen Räuber, einen Brief an Claudine zu überbringen. Ins Lager zurückgekehrt, erkennt Rugantino in Pedro endlich seinen Bruder. Unverzüglich kehren sie nach Villa Bella zurück. Auf ihrem Weg begegnen sie Claudine und Lucinde, die aufgebrochen waren, um Pedro von den Räubern zu retten. Der Liebe der beiden Paare steht nun nichts mehr im Weg, sie sind nun endlich vereint.

Wie der “Werther” stellt auch “Claudine” nach einem “Jahrhundert des Verstandes” (Aufklärung) einen Höhepunkt der “Epoche der Empfindsamkeit” (Sturm und Drang) dar, Zugleich greift dieses Werk kritisch ins gekünstelte Rokoko ein. Insbesondere die Gefängnisszene erweist sich als gesellschaftskritisch. “Ihr seid ausgezogen, mich zu fangen” (Matthäus). Es erfolgtgewissermaßen eine Christus-Identifikation. Christus erweist sich als Rebell und keineswegs als (Vor-) Vertreter irgendeiner Kirche. In diesem Sinne erweist sich das Bekenntnis, Gefühle auszuleben, als revolutionär in dieser Zeit. Hierbei zeigt sich bereits die bürgerliche Sicht Goethes, die das Recht auf Selbstverwirklichung einfordert.

B. Kemter

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