„Heimat, meine Trauer“, Vortrag von Dr. Therese und Dr. Frank Hörnigk, Berlin
„Heimat, meine Trauer, Land im Dämmerschein, Himmel, du mein blauer, du, mein Fröhlichsein.“ (Eisler/Becher)
Becher erlebte schlimmste Repressionen, die Lage im Schriftstellerverband in Moskau entwickelte sich zur Katastrophe. Freunde und Genossen wurden liquidiert. Dennoch bekannte sich der Kommunist Becher zur Sowjetunion: „Um mit dir zu weinen in der Dunkelheit“. Diese Verse entstanden 1949, als es schon zwei deutsche Staaten gab und der Kalte Krieg tobte. 1947 hatte der letzte gemeinsame Schriftstellerkongress stattgefunden, um einen einheitlichen Verband zu gründen. Vergeblich. Es wuchsen zwei Literaturen heran.
Die offizielle bundesdeutsche Literatur deklariert ausdrücklich die Stunde Null. Dies ist nicht haltbar. In der DDR heißt es Tag der Befreiung: Auf einmal sind wir Sieger der Geschichte. Und für die Literatur gab es auch keine Stunde Null.
Die erste Generation von DDR-Literaten kam aus verschiedenen sozialen Milieus. Es entstand eine heikle Situation. Die Bereitschaft zum Aufbau-Engagement und dies vor dem Hintergrund des überwundenen Nationalsozialismus war groß, führte jedoch infolge der Vorgaben zu absoluter Provinzialität. Man wollte über Kultur und Kunst Menschen erziehen, um eine neue Art des Denkens herzustellen. Dies brachte große Probleme mit sich. So wurde Eisler mit seiner „Faust“-Oper schmählich zurückgewiesen, ging verbittert nach Wien.
Alles wurde platt gemacht, was nur ein wenig vom Wege abwich. Kulturpolitiker nahmen Eingriffe zensorischer Art vor. Ganz offen, keineswegs verdeckt, war die führende Rolle der Partei durchzusetzen (geistiger Amtszynismus ersten Ranges). Dies war verbunden mit dem Verweis auf unliebsame Konsequenzen, falls man dem nicht folgte. Es führte dahin, dass manche Autoren das Land verließen.
Kunst und Literatur entstehen aus einem Leidensdruck heraus. Im konkreten geschichtlichen Fall führt dies zu einem Zwiespalt von Repression und Anerkennung. „Eigentlich wollen wir dasselbem wollen es aber anders sagen“, und genau aus diesem Konflikt erwachsen bedeutende Brüche.
DDR-Literatur wird so zur Planaufgabe. Sie sollte gleich zu Beginn ihren Beitrag zur Erfüllung des Zwei-Jahres-Planes leisten. Ihre Erziehungsfunktion war der Traum der Parteifunktionäre (sozialistischer Realismus). Sie hofften darauf, die Einheit von Geist und Macht herzustellen, diesen Widerspruch aufzuheben. Es gab solche Literatur: Dr. Schlüter als Faust III. Solche Figuren wollte Ulbricht und damit die größtmögliche Propaganda in jedem Wohnzimmer.
Dagegen standen neue Texte in der zweiten Generation der DDR-Literaten. Hierzu gehörten Bobrowski, Fühmann, Müller, Hacks, Heym, Neutsch; Leute, die schon auf andere Weise an die Öffentlichkeit traten. Viele Literaten beschäftigen sich noch mit der Nazizeit. Der Begriff „Verordneter Antifaschismus“ ist dabei verwerflich, trifft auf die Literatur überhaupt nicht zu, wenn man an beispielsweise am Bruno Apitz und Jurek Becker denkt. Dann schon eher das Brecht-Wort: „Die Keller sind noch nicht ausgeräumt, und schon baut man neue Häuser.“ Es sind verständliche Hoffnungen. Nun soll die Literatur auch zusehends Erfahrungen aus dem sozialistischen Alltag zeigen; propagiert werden Romane aus der Produktion.
Anfang der 60-er Jahre tritt Volker Braun hinzu. Nach dem Mauerbau wächst zumindest eine Hoffnung: Vielleicht können wir nun störfrei agieren, bekommen eine neue Chance, auch wenn die Mauer leidvoll empfunden wird. Hier kommt auch der Bitterfelder Weg (Greif zur Feder, Kumpel) ins Spiel, er war aber nicht so erfolgreich, wie sich die Parteiführung dies erhoffte. Viele Autoren folgten zwar diesem Ruf, aber die Widersprüche aufzuzeigen, war eine andere Sache. Die Hoffnung auf Emanzipation in geschlossenen Verhältnissen blieb eine Illusion. Dies zeigte sich rasch und vor allem nach der berüchtigten 11. ZK-Tagung 1965 Heiner Müller wurde aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen.Gerade Literatur f ü r das Land zu machen, dieser Anspruch wurde zurückgewiesen. Es gab eine opportunistische Anpassung: Das Gefühl, gebraucht zu werden und mitmachen zu wollen am großen Werk, dies führte zur Selbsterziehung. Und blieb doch Fiktion. Gegen Ende der 60-er Jahre trat die DDR-Literatur in eine neue Phase ein. Es erschien „Nachdenken über Christa T.“ (Christa Wolf). Heiner Müller wurde im Westen gespielt. Die Rezeption ästhetischer Literatur wird für das Publikum zunehmend zum Medienersatz. Literatur konnte nun über Dinge sprechen, die kein Marxismus-Leninismus, kein Journalistik-Studium, keine offizielle Ideologie behandeln durfte. Hier konnte man sich als Leser einklinken, mache Bücher wurden zur Bückware: „Kassandra“. Zensoren ma0ten sich an, darüber zu entscheiden, was marxistisch war, was nicht. 69 Zeilen wurden aus „Kassandra“, Christa Wolfs Werk gestrichen. Doch alles, was gestrichen wurde, sollte durch Pünktchen ersetzt werden. Darauf bestand Wolf. Ihr Werk gehörte nicht nur zur Frauenliteratur in der DDR, es behandelte Frauen in der Gesellschaft überhaupt.
Nach der Wende erfolgte eine maßlose Abwertung der DDR-Literatur. Kurz nach dem Mauerfall brach der deutsch-deutsche Literaturstreit aus. Auch am Beispiel Christa Wolf ging es um die Frage: Was bleibt? Merkwürdig blieb es, da ihre und Werke weiterer Autoren vormals im Westen gewürdigt, gefördert und mit Preisen bedacht und nun geschmäht wurden. Es war eine Zeit tiefer Kränkungen. Die Dominanz westdeutscher Literatur war erdrückend.
Wolf: „Wir haben dieses Land geliebt.“ In der „Stadt der Engel“ geht es aber auch um das eigene Versagen. Und dennoch: „Ich lasse mir nicht mein Leben wegnehmen.“ DDR-Literatur war unser geistiges Brot. Wir haben geglaubt, dass sich die Widersprüche auflösen werden innerhalb dieses Systems.Aber die Krise dieses Systems war strukturell begründet.