Goethe Gesellschaft Gera e.V. » 3. April 2013 Vortrag von Dr. Arnold Pistiak

3. April 2013 Vortrag von Dr. Arnold Pistiak

erstellt am: 03.04.2013 | von: beke | Kategorie(n): Rückblick

„Darf es auch etwas Goethe sein? – Hanns Eisler und Goethe“, Vortrag von Dr. Arnold Pistiak, Potsdam

 

Dr. Arnold Pistiak hat sich lebenslang mit Hanns Eisler beschäftigt, von dem nicht nur das Solidaritätslied, sondern auch „Deutschland, sei gepriesen“ und „Anmut sparet nicht noch Mühe“ stammt. Eislers Nachlass befindet sich in der Akademie der Künste: das Eisler-Archiv. Die Literaturwissenschaft über Goethe klammert Eisler aus, nicht aber die Musikwissenschaft. Aber spezielle Untersuchungen gibt es auch dort kaum. Seine Goethe-Kompositionen blieben weitgehend unbekannt.

Wichtig war Eislers Bekanntschaft mit Arnold Schönberg, er hat ihm kostenlosen Kompositionsunterricht gewährt. Beide entzweien sich jedoch nach 1925. Eisler wollte Musik fürs Volk machen, knüpfte Kontakte nach Berlin, zu Brecht, Busch, Weinert. Der „Rote Wedding“ entstand. Eisler schuf auch die Musik für den proletarischen Film „Kuhle Wampe“. Eisler emigrierte zuerst nach Großbritannien, dann in die USA. Er konnte in der Filmindustrie von Hollywood Fuß fassen. 1948 wurde er vor das berüchtigte „Komitee zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit“ vorgeladen, er wurde ausgewiesen. Eisler ging zuerst nach Wien, erhielt dort eine Einladung für eine Professur in Berlin. Hier lebte er bis zu seinem Tod 1962.

Eisler schuf mehrere Kompisitionen zu Goethes Werken, so zum „Lied der Schatzgräber“ und „Meeresstille“. Stets hatte er dabei die humanistische Verantwortung Goethes im Blick. Sie bildete für Eisler den zentralen Referenzpunkt. In diesem Werk verkörpert sich der Ethos der produktiven Tätigkeit. „Meeresstille“ und „Glückliche Fahrt“ entstanden ebenfalls nach 1795. Die Kriegstätigkeit scheint gebannt, die Menschen richten ihren Blick wieder nach vorn. Sänger und Orchester gestalten das Stück. Die Musik verläuft schnell, ohne Wiederholungen. Eisler komponiert die „Rhapsodie für großes Orchester zum 200. Geburtstag Goethes“ (mit Sopransolo nach Worten aus Goethes „Faust“), sie ist der Höhepunkt zum Festakt, und sie enthält Reminiszenzen an seine Hollywood-Zeit.

Zur Vorgeschichte: Eisler weilte im Mai 1949 in Wien, weil dort seine Kantate „Mutter“ (Brecht) aufgeführt wurde. In Wien erreichte ihn ein Brief von Ottmar Gerster, Rektor der Weimarer Musikhochschule, mit der Bitte, ein zusammenhängendes Werk mit Worten aus Goethes „Faust“ zu schaffen. Einige Teile schuf Eisler neu, bei anderen verwendete er Motive aus der Musik zum tschechischen Film „Kreuz drei“. Aus dem Helena-Akt wählte er zwei Passagen aus, so Verse der Phorkyas: “Höret allerliebste Klänge, Macht euch schnell von Fabeln frei!

Eurer Götter alt Gemenge, Laßt es hin, es ist vorbei. Niemand will euch mehr verstehen, Fordern wir doch höhern Zoll: Denn es muß von Herzen gehen, Was auf Herzen wirken soll.” – Das andere Zitat bezieht sich auf den Chor in der Arkadien-Szene: “Wolltest Herrliches gewinnen, aber es gelang dir nicht. Wem gelingt es? Trübe Frage, der das Schicksal sich vermummt, wenn am unglückseligsten Tage blutend alles Volk verstummt.” Dem folgt jedoch gleich die Fortsetzung: “Wem gelingt es? – Trübe Frage …, Doch erfrischet neue Lieder, Steht nicht länger tief gebeugt; Denn der Boden zeugt sie wieder, Wie von je er sie gezeugt.” All dies steckt voller aktueller Anspielungen auf das Kriegsende, fordert zu neuem Aufbruch.

1950 folgte Eisler dem Ruf nach Berlin. Er besuchte Brecht in Spremberg, schrieb Kantaten. Diese Kantaten behandelten das Schicksal des italienischen antifaschistischen Schriftstellers und ehemaligen kommunistischen Funktionärs Ignazio Silone, der nach den Stalin’schen “Säuberungen” der Komintern den Rücken kehrte. Er hatte Stalin widersprochen und wurde daraufhin als Verbrecher stigmatisiert. Es waren durchaus auch antifaschistische Kantaten, wurden in der DDR jedoch lange nicht erwähnt. Erst 1968 erschien in einer Musikzeitschrift ein kleiner Artikel, in dem dieser Zusammenhang dargestellt wurde.

Eisler wollte eine Faust-Oper schreiben, veröffentlicht wurde ein Faust-Textbuch von Becher, es wurde jedoch von Ulbricht angegriffen: Eisler verunglimpfe Faust …

Bis an sein Lebensende ging Goethes humanistische Idee bei Eisler nie verloren.Gleichzeitig wandte er sich gegen die stalinistischen Verbrechen.Er schrieb 1951 im Rückgriff ein Werk “Das Vorbild” mit dem Untertitel “Triptychon”. Es beginnt als Fuge, ist an Bach orientiert und dennoch eine moderne Komposition. Auch die Musik zu Goethes “Das Göttliche” wurde aufgeführt, dann aber rasch unter den Teppich gekehrt. Ein Lied “Goethes Fragment” thematisiert Motive aus dem “West-Östlichen Diwan”.

 

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