Goethe Gesellschaft Gera e.V. » 1. November 2012 Vortrag von Marianne Heide

1. November 2012 Vortrag von Marianne Heide

erstellt am: 01.11.2012 | von: beke | Kategorie(n): Rückblick

„Goethe und der Harz“, Vortrag von Marianne Heide,  Zeulenroda-Triebes

 

Goethe besuchte mehrmals den Harz. So unternahm er Wanderungen auf den Brocken. Und er besuchte ebenfalls das Bergwerk im Rammelsberg. Seine Erkenntnisse über die Gesteine flossen später in seine geologischen Betrachtungen ein.

Am 10. Dezember 1777 bestieg Goethe vom Torhaus den Brocken. Damals war es schwierig, den Brocken zu erklimmen, es gab noch keinen befestigten Weg. Es scheint klar, dass Goethe der Erste war, der den Brocken bestieg.

Goethe: „So einsam, sagte ich zu mir selber, indem ich diesen Gipfel hinab sehe, wird es dem Menschen zumute, der nur den ältesten, ersten, tiefsten Gefühlen der Wahrheit seine Seele öffnen will.“

Auf seiner ersten Reise zwischen dem 30. November und 15. Dezember 1777 berührte er folgende Orte: Nordhausen nach Ilfeld, Sophienhof, Trautenstein, Elbingerode, Rübeland, Wernigerode, Ilsenburg, Goslar, Clausthal-Zellerfeld, Altenau, Torfhaus, Brocken, St. Andreasberg, Duderstadt, fernerhin Mühlhausen und Eisenach.

Goethe spiegelte vor, einen jungen gemütskranken Leser des „Werther“ in Wernigerode besuchen und Studien zum Harzer Bergbau betreiben zu wollen, um der Pflichtveranstaltung „Herzogliche Wildschweinjagd“ zu entfliehen. Doch insgeheim wollte er sich über seine weiteren Lebenspläne klar werden. So schreibt Dr. Rolf Denecke in „Goethes Harzreisen“: „Das Gebirge, insbesondere der Brocken, versprach jene eindringliche Begegnung mit der Natur, die sich der Dichter in seinem derzeitigen Seelenzustand wünschte und der er auch unausweichlich bedurfte.“

Unter dem Pseudonym „Maler Weber“ reiste er nach Ilfeld. Frühmorgens führte ihn ein Ortskundiger den Brocken hinauf. Er übernachtete dann in Elbingerode. Er besichtigte die Baumannshöhle, zeigte sich fasziniert von den Tropfsteinen. Beim Schein der Grubenlampen, über schwankende Leitern und an dunklen Abgründen vorbei, waren solche Führungen nicht ungefährlich. Goethe an Frau von Stein: „Wie doch nichts abenteuerlich ist als das Natürliche und nichts groß als das Natürliche … in der ungeheuren Natur, da ich kritzele und mir’s sehr wohl war.“

Danach besuchte Goethe den gemütskranken Plessing in Wernigerode, welcher ihm nach der „Werther“-Lektüre zwei verzweifelte Briefe geschrieben hatte. Goethe hatte ihm nicht geantwortet, lüftete auch keineswegs sein Inkognito, da er mit eigenen Problemen hinreichend beschäftigt war. Immerhin förderte er später den Plessing auf manche Weise.

Wernigerode scheint ihn nicht zu interessieren, er reist nach Goslar weiter. Auch diese Stadt erregt keinesfalls sein Interesse. Er schreibt: „Hier bin ich nun wieder in Mauern und Dächern des Altertums versenkt … Seltsame Empfindungen aus der Reichsstadt, die in und mit ihren Privilegien vermodert.“

Er interessiert sich um so mehr für den jahrhundertealten Bergbau im Rammelsberg. Er wandert durch das Okertal, übernachtet nochmals in Goslar und reist weiter nach Clausthal-Zellerfeld. Goethe studierte die Bedingungen vor Ort, um dem darniederliegenden Ilmenauer Bergbau wieder auf die Sprünge helfen zu können.

Er fährt in die Gruben Dorothea, Benedicte und Caroline ein, studiert insbesondere die Wasserführung. Auch die Besichtigung dieser Bergwerks hatte ihre Tücken. Gefährlich wurde es, als sich plötzlich ein großer Felsbrocken löste, dem Goethe um Haaresbreite nur dadurch entging, weil der Bergmann vorausschritt und der Gefahr geschickt auswich. Goethe: „… und meine schwankende Person hätte es gleich niedergedrückt und mit der völligen Last zerquetscht. Es war immerhin ein Stück von fünf, sechs Zentnern.“

Er übernachtet in Altenau. Goethe trifft sich anderntags am Torhaus mit Förster Degen, der es für aberwitzig hält, den Brocken bei Schnee und Eis besteigen zu wollen, lässt sich jedoch umstimmen. Degen ahnt, dass Goethe den Berg besteigen möchte, um sich innerlich zu befreien. Das Erlebnis wilder Natur, ihres Fließens und Werdens, ihre Gestaltbildung, schlägt sich später in der Klassischen Walpurgisnacht in Faust II nieder.

Die zweite Harzreise wird zwischen 9. und 26. September 1783 unternommen. Goethe berührt folgende Orte: Langenstein, Blankenburg, Rübeland, Halberstadt, Clausthal-Zellerfeld, Torfhaus, Brocken, Heinrichshöhe, Schierke, Elend, St. Andreasberg und Göttingen. Hintergrund der neuerlichen Reise war die Einladung des Halberstädter Domherrn Ernst Ludwig von Spiegel an Anna Amalia. Sie solle bei ihrer Rückreise aus Braunschweig Parkanlagen und Schloss besichtigen; die Einladung galt ebenso für Goethe. Er lernte bei dieser Gelegenheit den nordöstlichen Teil des Harzes kennen, er besuchte mit dem 11-jährigen Fritz von Stein auch die Rosstrappe. Die Wanderung führte ebenfalls nach Blankenburg. Goethe entnahm auf seiner Wanderung mehrere Gesteinsproben. So vom Regenstein. Er zeichnete auch diesen Berg.

In Halberstadt besichtigte er die Parkanlagen des Herrn von Spiegel, die ihn aber keineswegs zu fesseln vermochten. Er traf Gleim.

Auch dieser Harzbesuch erfolgte im Lichte der Wiedererweckung des Ilmenauer Bergbaus.

Er erneuerte die Bekanntschaft mit dem Bergbaubeamten Wilhelm Heinrich Trebra, der ihm mannigfaltige Probleme im Bergbau vor Augen führte. Als Stichworte seien genannt: Mängel in Verwaltung, Ausrüstung und in der geologischen Wissenschaft, die sich gerade in dieser Zeit erst entwickelte, ungenügendes Interesse der Bergleute. Trbra besaß eine umfängliche Mineraliensammlung, für die sich Goethe naturgemäß stark interessierte. Trebra übernahm auch die Führung des zweiten Brockenaufstieges. Die Tour führte diesmal über den Dietrichsberg, durch das Okertal sowie über den Ochsenberg. So gelangten die Wanderer zu den Lerchenköpfen zum Torhaus, wo sie von Förster Degen bereits erwartet wurden. Goethe trug sich ins Brockenbuch ein. Übernachtet wurde in einer Hütte des Grafen von Stolberg-Wernigerode. Anderntags passierte die Gruppe über den Glashüttenweg den Ort Schierke, kam zuvor an den Feuersteinklippen vorbei. Dann gelangte sie zu den Schnarcherklippen durch das Tal der Kalten Bode nach Elend. Die Eindrücke finden sich wieder in der Walpurgisnacht-Szene in Faust 1: Mephisto, Faust, Irrlicht.

Weiter führte die Wanderung über den Oderteich, seinerzeit größter Stausee in Deutschland, zum Rehberger Graben. An der Hohen Klippe zeigte Trebra seinem Gast hellen Granit mit eingesprenkeltem blauschwarzen Ton. Auf dem St. Andreasberg fuhr die Gruppe in die Silbergrube Samson ein. Dieser Schacht mit seinen 810 Metern galt bis ins 20. Jahrhundert hinein als der weltweit tiefste.

Die dritte Harzreise wurde zwischen 9. August und 14. September 1784 unternommen. Goethe berührte folgende Orte: Lauterberg, Osterode, Clausthal-Zellerfeld, Wilder Mann, Hanskühnenburg, Goslar, Braunschweig, Torfhaus, Brocken, Scjoerke, Elbingerode, Wendefurt, Thale, Teufelsmauer, Neinstedt, Blankenburg, Rübeland und Langenstein.

Wieder zog es den begeisterten Naturforscher und Geologen ins Gebirge. Begleitet wurde Goethe vom Maler und Kupferstecher Georg Melchior Kraus, der beste Abbildungen vom Harz und seinen geologischen Besonderheiten schuf. Die Königshütte war ihr erstes Ziel. Goethe besichtigte die Zechsteinformationen, die schneeweißen Gipsfelsen und die Teufelsbäder. Bei ihnen handelt es sich um wassergefüllte Erdfälle nahe Osterode. Das wohlbekannte Clausthal-Zellerfeld war das nächste Ziel. Hier traf er Trebra wieder. Nochmals fuhr Goethe in die Gruben Caroline und Dorothea in Clausthal-Zellerfeld ein. Aber auch die Hanskühnenburg, ein schöner, langgestreckter Höhenzug, der aus Quarzitfelsen besteht, wurde besucht. Leider musste Goethe nach Braunschweig weiterreisen, er konnte daher auch nicht seinen Geburtstag auf dem Brocken feiern, wie er gern gewollt hätte. Statt dessen musste er die Tage zwischen 17. und 31. August in Braunschweig verbringen. Er schreibt: „Die übrige Zeit verstrich mit richtigem Geschwätz über nichts. Dafür hat’s aber auch lange Sitzungen gegeben, in der Oper, an der Hoftafel – zumal die letzteren langweilten mich entsetzlich… Hätt‘ ich mehr freie Zeit, ich leistete sicher was für die Naturgeschichte …“

Am 1. September reiste er nach Goslar. Erneut suchte er den Rammelsberg auf. Darüber wird berichtet: „Der berühmte Weimarer Minister Goethe hat unseren Rammelsberg zum zweiten Mal beehrt. Diesmal konnte er die Jahrhunderte alte Technik des Erzabbaus, das Feuersetzen, erleben. Dabei wird unter Tage Holz angezündet. Durch die unglaubliche Hitze dehnen sich die Metalle im Erz aus. Das Erz wird mürbe und platzt ab, eine recht praktische Methode, dabei unglaublich laut und heiß, nach Schwefel stinkend und höllisch beeindruckend.“

Die Vitrilozapfen (metall- und schwefelhaltige Minerale) finden sich in kaum einem anderen Bergwerk. Wieder bestieg Goethe den Brocken.

Im Bodetal gibt es auch einen Goethefelsen. Kraus hat ihn als „Granitfelsen im Bodetal“ mit Bleistift gezeichnet.

Die vierte Harzreise wurde am 14. und 15. August 1805 unternommen. Goethe berührte die Orte Halberstadt, Thale, das Bodetal, Suderode, Gernrode, Stubenberg, Ballenstedt, Aschersleben. Er fuhr weiter in Richtung Halle.

Vermutlich reiste Goethe ins Bodetal und Thale, um seinem damals 15-jährigen Sohn August die wildromantische Gegend zu zeigen. Die Gruppe besichtigte zunächst den Eisenhammer in Thale. Sie bestieg die Rosstrappe. Tags darauf erfolgte bereits die Abreise.

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