„Die Göttin der Schönheit sollte gar keine Falten haben. Wieland als erotischer Schriftsteller“, Vortrag von Dr. Egon Freitag, Weimar
Christoph Martin Wieland, der erste deutsche Shakespeare-Übersetzer und Dichter des „Oberon“, erwarb sich auch bleibende Verdienste als Autor erotischer Verserzählungen, als Befürworter einer natürlichen Sexualität und weiblicher Emanzipation. Es war vor allem der erotische Reiz, die Anmut und Leichtigkeit seines Stils, wodurch Wieland ein Bestseller-Autor des 18. Jahrhunderts wurde. So war er einer der meistgelesenen und höchsthonorierten deutschen Schriftsteller, dessen Werke zu Lebzeiten in 13 Sprachen übersetzt wurden.
Erfrischend heiter wirken seine Verse noch heute, wie:
Ein Busen reizt, der, jugendlich gebläht
Die Augen blend’t und niemals stille steht.
Dir schmecken nur verstohlne Wasser süße,
und deiner Dirnen geile Bisse.
Aber Wieland hatte auch zahlreiche Angriffe und Schmähungen zu ertragen. Vor allem seine frivolen Verserzählungen brachten ihn in den Ruf eines Sittenverderbers und Wollustsängers. Der Theologe und Schriftsteller Johann Kaspar Lavater forderte alle Christen auf, für den schwer gefallenen Sünder Wieland zu beten. Man sprach sogar von „epikureischer Schweinheit“.
Auch der Zürcher Literaturkritiker Bodmer, bei dem Wieland knapp zwei Jahre gewohnt hatte, höhnte enttäuscht über seinen ehemaligen Schüler: „Wielands Muse ist eine Metze geworden, die sich dem leichtfertigsten Leser in die arme wirft.“ Die Kirchenzensur in Wien verbot Wielands frivole Schriften.
Den Moralaposteln und literarischen Feigenblättern entgegnete Wieland: „Sobald der Mensch nur ein Glied an seinem Leibe hat, dessen er sich schämen muss, hat er seine Unschuld verloren. Man tadelt es, dass nackte Figuren da aufgestellt werden, wo Mädchen im Hause sind. Hätte ich nur recht viel, ich wollte alle meine Zimmer davon anfüllen. Warum ziehen wir denn den Hunden und Ochsen nicht auch Hosen an? Der heiligste Naturtrieb ist durch Pfafferei entadelt und verschrien worden.“
Selbst der Theologe Johann Gottfried Herder nahm Wieland in Schutz und erklärte, Wieland verfolge „gewiss einen edleren Zweck, … als uns bloß witzig zu amüsieren … Seine oft missverstandene Philosophie ist doch am Ende Weisheit des Lebens.“
Und Goethe meinte: „Wieland kündigt allem … den Krieg an, zuvörderst also der platonischen Liebe.“ Wieland wirkte auch auf diesem Gebiet als Dichter der Aufklärung und spricht von der „Philosophie der Liebe“ bzw. von der „erotischen Philosophie“.
Wieland lebte 36 Jahre in glücklicher Ehe mit seiner Frau Anna Dorothea und bekannte: „In allen meinen Liebesaventüren war viel Illusion, und reine Glückseligkeit kenne ich erst seit der Epoche meiner Verheiratung.“ Seine Frau brachte ihm 14 Kinder zur Welt, neun Töchter und fünf Söhne.